SWR2 Wort zum Tag

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Eine der Lieblingserzieherinnen meiner Tochter ist in Elternzeit gegangen, weil sie ihr erstes Kind bekommen hat. So weit, so normal. In diesem Falle hat es mich aber doch überrascht. Die junge Frau war nämlich gar nicht schwanger. Das Kind hat ihre Partnerin zur Welt gebracht.

Zwei Mütter, ein Kind – seit das Adoptionsrecht es leichter macht, die Kinder der Partnerin als die eigenen anzunehmen, gibt es das gar nicht so selten. In meinem eigenen Umfeld ist mir diese Form von Familie allerdings das erste Mal begegnet. Und natürlich sind mir Fragen gekommen: Wie ist das für ein Kind, statt mit Vater und Mutter mit zwei Frauen aufzuwachsen. Und was ist mit dem Vater? Wird das Kind von ihm erfahren, mit ihm Kontakt haben?
Ich habe die frischgebackene Mutter gefragt. Ja, hat sie mir erzählt, die Kleine kennt ihren Vater und wird, so ist es geplant, von Zeit zu Zeit etwas mit ihm unternehmen. Im Alltag wird er nicht ständig präsent sein, aber als männliche Bezugsperson neben anderen doch erreichbar. Und wenn das Mädchen später Fragen stellt – wieso habe ich zwei Mütter und nicht Mutter und Vater wie andere Kinder – dann soll sie, dem Alter entsprechend, Antwort bekommen. Das Kind habe schließlich ein Recht, seine Herkunft zu kennen.
Im Gespräch habe ich gemerkt: Meine Überlegungen darüber, was theoretisch wünschenswert ist, waren plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Sehr viele andere Kinder wachsen ja in der Familie auch vor allem mit weiblichen Bezugspersonen auf – aus den verschiedensten Gründen. Und kaum einer macht sich darüber Gedanken, ob es ihnen schaden könnte.
Dieses Kind, da bin ich mir sicher, bekommt in seiner Familie auf jeden Fall die Liebe, den Freiraum und die Begleitung, die es braucht. Und ich glaube, das ist das Entscheidende.
Deshalb ist es für mich auch zweitrangig, aus welchen Personen sich eine Familie zusammensetzt. Wichtig ist, wie sie miteinander umgehen. Und wie wir alle mit der Vielfalt umgehen, die es in unserer Gesellschaft gibt. Das letzte nämlich, was eine junge Familie – wie auch immer sie aussehen mag – gebrauchen kann, sind Vorurteile und Ressentiments.

Für mich als Christin ist das auch eine Botschaft von Jesus. Der hat nicht darauf geschaut, ob die Lebensform der Menschen, denen er begegnet ist, der Norm entsprach. Sondern er hat danach geschaut, was sie brauchen, um gut zu leben.

Meine Tochter freut sich, wenn ihre Erzieherin aus der Elternzeit zurückkommt. Bis dahin wünsche ich der ungewöhnlichen Familie Gottes Segen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7596
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