SWR3 Gedanken

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Schnell noch einkaufen. Die Milch ist alle, bald schließen die Geschäfte. Auf ins Auto. Mit Einkaufskorb und Kleinkind. Schnell das Kleinkind in seinen Kindersitz verfrachten. Moment. „Emma alleine“, sagt das Kleinkind. In der ausführlichen Form heißt das: Ich möchte allein in meinen Kindersitz krabbeln, auch wenn es Stunden dauert. Schließlich ist der Gipfelsturm geschafft, Emma thront stolz wie eine Königin in ihrem Sitz. Sie hat es geschafft. Ganz ohne Hilfe.

Bei einer Bekannten von mir ist das ganz ähnlich. Allerdings hat die längst die Kindheit hinter sich gelassen. Sie ist über vierzig, hat drei Kinder und einen Mann, der selten zu Hause ist. Sie selbst ist teilzeitbeschäftigt und rudert jeden Tag, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Alleine. Das schafft sie auch. Tag für Tag. Aber am Ende eines jeden Tages ist sie nicht stolz wie eine Königin, sondern fertig mit der Welt. Weil alles eigentlich viel zu viel ist. Wenn man es partout alleine schaffen will.

Die kleine Emma braucht den Alleingang, um groß zu werden. Um an Aufgaben zu wachsen, Fähigkeiten zu entwickeln. Warum große Menschen den Alleingang brauchen, verstehe ich manchmal nicht. Ich sehe, wie meine Bekannte sich aufreibt und täglich angespannter ist. Aber eher würde sie sich die Zunge abbeißen, als jemanden um Unterstützung zu bitten. Und wenn man Hilfe anbietet, wird das freundlich, aber bestimmt abgelehnt. So als hätte sie etwas zu verlieren.

Dabei hat sie etwas zu verlieren. Nämlich noch das letzte Restchen Kraft, das sie hat. Das würde der kleinen Emma nicht passieren. Die hat nämlich eigentlich ein sehr sauberes Gespür für ihre Grenzen. Was sie kann, versucht sie alleine. Und wenn es nicht geht, nimmt sie selbstverständlich meine Hilfe in Anspruch. Ohne Angst, mir zur Last zu fallen oder dankbar sein zu müssen oder sich abhängig zu machen. Das wiederum sind alles Gründe, warum große Menschen lieber zusammenbrechen, als sich helfen zu lassen.

„Werdet wie die Kinder“, heißt es in der Bibel. Und vielleicht ist damit auch diese Facette von Kindsein gemeint. Vieles alleine schaffen wollen. Aber nicht alles alleine schaffen müssen. Und wenn das so ist, wünsche ich uns Erwachsenen diese kindliche und biblische Einsicht: Hilfe annehmen ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern eine schlichte menschliche Selbstverständlichkeit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4099
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