Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Selig die Gewaltlosen, denn sie werden das Land erben. Jesus hat uns das mitgegeben. Eins seiner großen Vermächtnisse. Selig die Gewaltlosen.“
In Israel, wo Jesus gelebt und gewirkt hat, ist das heute eine der größten Provokationen.
Im Herbst vergangenen Jahres war ich mit einer Reisegruppe im Bus unterwegs von Jerusalem in die Westbank. An einem der Checkpoints, an dem jeder kontrolliert wird, müssen wir warten.
Als wir aus dem Fenster schauen, sehen wir vor uns einen alten Mann, abgewetzte Hose, graues Hemd. Ein israelischer Soldat durchsucht seine Taschen, ein anderer bewacht das Ganze mit dem Gewehr im Anschlag. „Der hat keine Papiere.“ Erklärt uns der Busfahrer. „Muss wohl die Nacht im Gefängnis verbringen.“ Plötzlich rennt von hinten ein junger Mann auf die Soldaten zu, gestikuliert, schreit.
„Das ist sein Sohn, übersetzt er uns der Busfahrer, der Vater darf die Nacht nicht ins Gefängnis. Er braucht jetzt seine Medizin, muss schnell nach Hause.“ Die Soldaten schreien, der junge Mann zieht seinen Gürtel aus und wirft ihn wütend unter unseren Bus. Ein normaler Ledergürtel, kein Sprengstoff. Er soll sich hinlegen, brüllt der Soldat, entsichert sein Gewehr und richtet es direkt auf ihn und uns dahinter im Bus.
Für einen unendlichen Moment bleibt der junge Mann stehen. Dann senkt den Kopf, lässt sich abführen. Für uns ist der Alptraum vorbei.
„Der wird keine schöne Nacht haben,“ sagt der Busfahrer, als er den Motor anwirft. Keiner von uns fragt weiter nach.
„Selig die Gewaltlosen, sie werden das Land erben. Jesus hat das zu den einfachen Leuten gesagt. Zu denen, die der Gewalt unmittelbar ausgesetzt waren.
In jenen Minuten am Checkpoint, habe ich es gespürt: Gewalt ist wie ein böser Geist. Und die ergreift alle. Alle haben Angst, alle wollen nur überleben.
Diesem bösen Geist kann man nur einen anderen Geist entgegenstellen. Und so verstehe ich Jesus. Wenn er die Gewaltlosen jetzt schon glücklich preist. Weil sie aus einem anderen Geist leben. Aus dem Geist Gottes, der will, dass wir leben. Mit denen, die uns immer wieder zu Gewalt- und Rachehandlungen verführen wollen. Aber das wird ihnen nicht gelingen. Da sei Gott vor!

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