SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht.“ Dieser Satz auf einem großen Schild. Im Hintergrund die rauchenden Ruinen von Berlin. Es sind die letzten Kriegsmonate im Jahr 1945.
„Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht.“ So will es die Propaganda. Eine Welt geht zugrunde, aber wir behalten die Nerven. Wir sehen Berge von Leichen, aber wir lassen uns davon nicht beeindrucken. Wir sitzen auf den Trümmern unseres Lebens, aber wir sind mutig und stark. Oder etwa nicht?
„Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht.“ Vor dem Schild sitzt eine Frau. Sie trägt ein Kopftuch, ihre Hände sind rissig, ihr Gesicht ist grau. Weint sie? Nein, sie weint nicht. Nicht mehr. Sie hat keine Tränen mehr. Ihre Augen starren ins Leere. Ohne Vergangenheit, ohne Gegenwart, ohne Zukunft.
„Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht.“ Viele Jahre später. Eine andere Frau sitzt in ihrem Wohnzimmer. An den Wänden Erinnerungsfotos längst Verstorbener. Der Ehemann – im Krieg gefallen. Ein Sohn – vermisst und nie nach Hause zurückgekehrt. Der andere Sohn – mit Mitte Fünfzig an den Spätfolgen der Gefangenschaft gestorben. Sie hat nicht wieder geheiratet nach dem Krieg. Die Schatten der Verstorbenen liegen noch immer auf ihrem Leben.
„Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht.“ Heute ist der 8. Mai. Gedenktag der deutschen Kapitulation. Gedenktag an das Ende des 2. Weltkrieges. Millionen von Herzen hat dieser Krieg gebrochen. Die Mauern sind längst wieder geflickt. Für viele Herzen hat es keinen Wiederaufbau gegeben.
Der Krieg bricht Herzen. Jeder Krieg bricht Herzen. Das nimmt der Krieg in Kauf. Gott nicht. Gott will keine gebrochenen Herzen. „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Gott will keine gebrochenen Herzen. Also will er auch keinen Krieg. Punktum.
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