SWR1 Begegnungen

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09JAN2022
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Tobias Schweinsteiger

Christopher Hoffmann trifft den Fußballtrainer Tobias Schweinsteiger, ehemaliger Fußballprofi und jetzt Co-Trainer beim Bundesliga-Zweitligisten 1.FC Nürnberg.

Tobias Schweinsteiger ist der ältere Bruder von Weltmeister Bastian. Beide wuchsen im bayerischen Oberaudorf auf, wo die Schweinsteigers bis 2006 ein Sportgeschäft betrieben haben. Und in diesem Sportgeschäft ist Tobias Schweinsteiger auch zum ersten Mal einem Mädchen mit einer geistigen Behinderung begegnet, die als glühender Bayernfan immer wieder im Geschäft vorbeigeschaut hat. Über dieses Mädchen entwickelt sich ein Kontakt zu den Behindertenwerkstätten vor Ort. Und dieser Kontakt hat Tobias Schweinsteiger geprägt:

Weil ich hier bei uns die Behindertenwerkstätten in Rosenheim und Raubling immer an Weihnachten besucht habe und immer  unsere alten Trainingsklamotten vorbeigebracht habe, Fanartikel vorbeigebracht habe zusammen mit meinem Vater und meinem Bruder. Und dadurch hatte ich persönlich zu den Kindern eigentlich immer schon einen guten Draht. Wer schon mal so eine Gruppe besucht hat, der weiß da gibt es welche die sehr, sehr innig sofort sind vom ersten Moment an, die sich freuen. Andere die sind schüchtern. Und bei mir war es - man würde sagen -Liebe auf den ersten Blick. Ich hab mich wohlgefühlt, die Kids haben sich wohlgefühlt bei mir, die Betreuer fanden es super, dass jemand beim ersten Mal schon so einen Kontakt herstellt, diese Offenheit.

Als Tobias Schweinsteiger dann 2010 zu Jahn Regensburg wechselt, laufen regelmäßig Kinder mit Behinderung mit der Mannschaft ins Stadion ein. Als Kapitän wird Schweinsteiger zum Kontaktmann zu zwei fußballbegeisterten Heilerziehungspflegern, die ihn fragen, ob er ihr innovatives Fußballprojekt für Kinder mit Behinderung unterstützen will. Seitdem engagiert er sich für das so genannte  „Team Bananenflanke“. Inzwischen gibt es deutschlandweit 16 Standorte. Auch im Südwesten in Ulm, der Ortenau, in Koblenz, Trier und der Südpfalz. Als ehemaliger Profispieler  und heutiger Trainer kennt sich Tobi Schweinsteiger auch mit historischen Flanken der Fußballgeschichte aus - und die gaben dem Projekt seinen Namen:

Es gab früher den Manni Kaltz,  der Horst Hrubesch eigentlich gefüttert hat mit Flanken, die immer leicht krumm kamen, also ganz gut sich zum Stürmer hinbewegt haben vom Tor weg, dann sind sie einfacher zu köpfen. Diesen Begriff  fanden wir ganz cool, weil das Leben der Kids halt auch nicht gerade  verläuft, sondern eher krumm, eher gebogen und da war die Bananenflanke im Fußball halt ein super Begriff.                                      

Das „Team Bananenflanke“ bietet Kindern mit Down-Syndrom oder anderen Behinderungen ein regelmäßiges pädagogisch wertvolles Fußballtraining, das ihre Persönlichkeit stärkt. Ganz wichtig ist Tobias Schweinsteiger: Menschen mit Behinderung nicht isolieren, sondern ins Zentrum rücken– die Turniere von „Team Bananenflanke“ finden deshalb oft auch auf mobilen „soccer courts , also Fußballplätzen, die man transportieren, statt – und zwar auf öffentlichen Plätzen, wo es immer Zuschauer gibt. 

Und deswegen wollen wir die Kids halt in die Mitte unserer Gesellschaft nehmen, so haben wir es auch in unserem Programm drin: das ist ein normaler Mensch mit Down-Syndrom und  das gehört zur normalen Gesellschaft dazu.

Ich spreche mit Tobias Schweinsteiger, der sich bei dem Fußballprojekt „Team Bananenflanke“ für Kinder mit geistiger Behinderung als Botschafter engagiert. Der 39-Jährige organisiert etwa Benefizturniere. Auch an diesem Wochenende war ein großes Hallenturnier geplant, das nun wegen Corona leider ausfallen muss. Für Kinder mit Beeinträchtigung, die bei diesen Events im Mittelpunkt stehen, kann das Virus leider sehr gefährlich sein, weshalb aktuell natürlich auch das Training in den Teams der Bananenflanke nicht wie gewohnt ablaufen kann. Aber im vergangenen Sommer wurde für den guten Zweck gekickt: Moderator Joko Winterscheidt oder Schweinsteigers langjähriger Freund, der Skirennläufer Felix Neureuther, waren mit dabei. Die eigentliche Motivation ist für Tobi Schweinsteiger aber die Begegnungen mit den Kindern selbst:  

Mich treibt einfach diese Emotion an, die ich halt selber gespürt hab, die man immer wieder sieht, wenn man auf die Kids trifft - wir hatten jetzt im Sommer wieder ein Benefizspiel am Tegernsee und diese Freude, die die Kids an den Tag legen, die ist sensationell. Selbst wenn wir alten Männer uns da ein bisschen den Ball zuspielen bei 35 Grad und nicht mehr schnell laufen können, dass es für die Kids halt einmalig ist. Und einfach nur wenn sie dich drücken dürfen, wenn wir nach dem Spiel Fotos machen- das ist super und das macht halt immer wieder Freude.                        

Begegnungen also, die seinen Alltag immer wieder bereichern:

Wenn ich die Kids treff, man fährt nie weg und ist schlecht drauf. Das tut einem selber auch immer gut. Und diese Ehrlichkeit, diese Offenheit, diese Direktheit, die wünscht man sich eigentlich in der Gesellschaft oftmals ein bissel mehr, vor allem bei uns im Fußball ist es sehr abhanden gekommen.

Und der Glaube, spielt der auch eine Rolle für Schweinsteigers Engagement? Aufgewachsen ist er in einem sehr katholischen Alpenort. Und auch wenn er nicht alles teilt, was die Kirche sagt und tut, sind ihm christliche Werte wie Nächstenliebe oder die Zehn Gebote bis heute wichtig.          

Es gibt gewisse Werte, die sind einfach unumstritten und die sind auch wichtig und ich glaub das war auch gut, dass man die in der Erziehung alle kennenlernt, dass man damit aufwächst. Und ich denke, dass die Erziehung sehr viel aus dem Menschen macht: Wie bist du erzogen worden? Und da hat auch die Kirche eine Rolle gespielt. 

Ein ganz wichtiger Wert für ihn ist offen zu sein für jeden Menschen, der ihm begegnet. Auch als Vater will er das seinem Sohn vorleben:

Du musst dich so verhalten, du musst diese Werte auch leben, ansonsten macht es keinen Sinn. Das ist mir halt fast noch das Allerwichtigste. Und jetzt ist es so, dass ich meinen Sohn auch gerne mitnehme zu diesen Events und er liebt das auch und er mag das und für ihn sind die Bananenflankenprofis genauso Profis, wie wenn wir jetzt ein Spiel vom 1.FC Nürnberg schauen.

Ich glaube: Tobias Schweinsteiger und  allen Helferinnen und Helfern, die sich mit ihm für mehr Inklusion in Sport und Gesellschaft einsetzen, ist mit dem „Team Bananenflanke“ ein echter Volltreffer gelungen.                   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34644
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