Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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12JUL2021
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„Die Kirche befindet sich an einem toten Punkt.“ Es war ein Knaller, als der Münchener Kardinal Reinhard Marx vor Kurzem mit diesem Satz zitiert wurde. Ein ziemlich starkes Wort jedenfalls für einen hohen Kirchenfürsten. Aber was heißt das? Ist die Kirche in seinen Augen also kurz vorm Ende? Reif für den Friedhof? Ein Fall fürs Museum?

Als ich den Satz gelesen habe ist mir kurioserweise eingefallen, was ich mal über den Motor in meinem Auto gelernt habe. Wenn der läuft, dann jagen die Kolben, die im Innern des Motors sind, nämlich auf und ab. Ihre Bewegung überträgt sich auf das Auto und dadurch fährt es. Doch immer, wenn so ein Kolben oben oder unten angekommen ist, hält er kurz inne und wechselt die Richtung. Die Ingenieure nennen diesen Augenblick, in dem er scheinbar stillsteht, den sogenannten Totpunkt.

Ob Marx das im Sinn hatte? Ich glaube eher nicht, aber ich finde, das Bild passt trotzdem. Denn, wenn so ein Kolben am Totpunkt einfach stehenbliebe, dann wäre der Motor aus. Nichts ginge mehr. Und schlimmer noch: Wenn er den Totpunkt ignoriert und in die eine oder andere Richtung weiterjagt, käme es zum Totalschaden. Der Kolben muss also am toten Punkt die Richtung wechseln. Nur so läuft der Motor und nur so geht es voran.

Und was könnte das für die Kirche heißen, von der Kardinal Marx ja gesprochen hat? Dass es am toten Punkt eben nur mit einem Richtungswechsel weitergehen kann. Dass Stillstand und Unbeweglichkeit keine Option sind. Auf viel zu viele Fragen braucht die Kirche neue und andere Antworten. Aber eben auch, dass es auf keinen Fall ein ignorantes Weiter-So geben darf. Es wäre der Totalschaden.

Der tote Punkt ist also nicht das Ende der Fahrt, sondern ein Innehalten, damit es danach weitergeht. In meinem Auto funktioniert das ziemlich gut. Ob es auch bei meiner Kirche klappen wird? Ich hoffe darauf.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33482
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