SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

15APR2021
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Vor ein paar Tagen habe ich diese Geschichte gehört: Ein Großvater will seiner Enkelin etwas über das Leben erklären. Es geht ihm darum, wie man zufriedener und glücklicher lebt. Vor allem dann, wenn man Menschen begegnet, die einem nicht gut tun. Der Großvater fragt seine Enkelin, ob sie schon von den beiden Wölfen gehört habe. Sie verneint. Er erklärt ihr, dass jeder Mensch in sich zwei Wölfe habe: Einen großen und starken Leitwolf. Er ist vor allem aggressiv. Daneben gibt es aber noch einen Unterwolf, der von Liebe geprägt ist. Wenn man wissen will, wie man zufriedener wird, müsse man sich zuerst fragen, welchem Wolf man mehr Futter gegeben hat: Dem Leitwolf, der aggressiv und dominant ist oder dem Unterwolf, der liebevoll mit den andern umgeht.

Dieses Bild gefällt mir. Es sind nämlich nicht die anderen Menschen, die mich unglücklich oder aggressiv machen. Sie machen etwas, was bei mir eine Reaktion auslöst. Sie sind nur der Auslöser für das, wie ich mich verhalte. Und ich habe dann die Wahl. Es auf mich zu beziehen und aufzuregen. Oder aber: Ruhig zu bleiben und den anderen zu unterstützen.

Da hat zum Beispiel ein Freund einen Fehler gemacht. Als der Fehler aufgeflogen ist, war das ziemlich peinlich. Jeder Mensch macht Fehler, aber er hat sich nicht entschuldigt. Und das hat mich wütend und ärgerlich gemacht. Und gleichzeitig habe ich mich über meine aggressive Seite geärgert, die da zutage tritt. Ich merke, wie ich schlecht über ihn denke, mit anderen über seinen Fehler spreche und mich sogar schlecht ihm gegenüber verhalte. Bis ich ihm dann mit Zähneknirschen sage, dass eine Entschuldigung fällig wäre. Aber wenn ich eine Entschuldigung so einfordern muss, macht sie mich nicht glücklicher, wenn ich sie dann bekomme. Und ich bezweifle, dass ich andere mit meinen zähneknirschenden Hinweisen besser mache.

Dabei will ich mich eigentlich nicht von den anderen bestimmen lassen und liebevoll mit ihnen umgehen. Und das habe ich ja in der Hand.

Anstatt am Abend also wieder auf das zu schauen, was schlecht gelaufen ist, kann ich mir überlegen, wie es aussieht, wenn ich in so einer Situation liebevoll reagiere. Und das fängt damit an, dass ich mir klar mache, was mir guttun würde, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Und das sind sicher keine Vorwürfe. Aber wenn ein Freund mir hilft, meine Fehler zu korrigieren ohne dass ich mein Gesicht verliere, dann gehe ich zufriedener aus der Situation und habe noch was dazu gelernt. So ein Freund möchte ich gerne für meine Freunde sein. Und dafür will ich meine liebevolle Seite stark machen. Deshalb will ich es heute Abend andersrum machen und sehen, wie ich den liebevollen Unterwolf füttern kann.

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