SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

02FEB2021
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Noch einmal strahlt heute das Licht von Weihnachten auf, noch einmal feiern die Kirchen heute »Epiphanie«, »Erscheinung« des Herrn. Aber nicht mehr im kleinen, abseits gelegenen Betlehem, sondern einige Kilometer weiter im altehrwürdigen Tempel von Jerusalem.

Maria und Josef sind dorthin gepilgert, um ihr Kind Gott »darzustellen«, es ihm zu zeigen, es vor ihn zu bringen. Sie wissen, es ist zuerst einmal Gottes Kind, nicht ihr Eigentum. Sie bringen es vor Gott, um es ihm anzuvertrauen, um es in Seinen Segen hineinzulegen. Für Maria und Josef sicher ein bewegender Moment.

Doch es wird für sie noch bewegender, als plötzlich Simeon und Hanna herzutreten. Zwei alte Menschen, vom Geist Gottes beseelt. Sie loben Gott und sagen ganz Erstaunliches über dieses Kind: Sie sehen in ihm Gottes Licht und Heil für unsere Welt. Gott selber mischt sich in diesem Kind, in Jesus, in unsere Menschen-Geschichte ein. Er will mit uns neue Wege gehen, Wege des Heils, Wege des Segens.

Eine Frage allerdings muss jede und jeder für sich persönlich beantworten: Darf Gott auch mit mir Heils-Geschichte schreiben? Erlaube ich ihm, sich in mein Leben einzumischen, in mein Denken, in meine Vorhaben, in mein Zusammenleben mit anderen, auch in meine Konflikte, die ich auszutragen habe, in meine Ängste, mein Scheitern, in meine Hoffnungen, in mein Warten auf ...? Ja, auf was eigentlich? Erwarte ich überhaupt noch etwas von Gott?

Simeon und Hanna haben darauf gewartet, Gott selbst zu begegnen. Ihr Wunsch ist es gewesen, dass er in ihr Leben kommt in seiner erlösenden und befreienden Kraft. Und sie sind dieses Wartens nicht müde und überdrüssig geworden.

Auf Gott warten ist eine lebenslange Aufgabe. Damit bin ich nie fertig. Dieses Warten aber braucht meine Bereitschaft. So nehme ich mir immer wieder Zeiten der Stille, in denen ich auf Gott höre. Da kann ich spüren, was er von mir will. Und das kann ich dann in mein Leben hineinnehmen. Auf diese Weise darf er sich in mein Leben einmischen. Sonst könnte es sein, dass ich tatsächlich vergeblich warte. Simeon und Hanna sind dazu bereit gewesen.

Die Worte von Simeon haben sogar ihren festen Platz im Nachtgebet der Kirche gefunden. Er hat sie gesagt, während er Jesus in seinen Armen gehalten hat:

Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das alle Menschen erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

Pfarrer Joachim Sohn, Furtwangen, alt-katholische Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32501
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