SWR2 Wort zum Tag

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18DEZ2020
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Wann feiert man Geburtstag? Keine Frage! Natürlich an dem Tag, an dem man zur Welt gekommen ist. Und dann jedes Jahr immer wieder.

In der christlichen Tradition gibt es noch ein anderes Verständnis von Geburtstag. Man könnte von einem spirituellen Geburtstag sprechen. Der ist dann, wenn jemand plötzlich begreift, dass Leben noch etwas Anderes ist als das, was er oder sie bislang darin gesehen haben. Dass es größer ist, tiefer und wunderbarer! Und sich dadurch plötzlich vieles verändert.

Ein Geburtstag also der anderen Art! Christen sprechen von Wiedergeburt. Manche Menschen ändern, nachdem sie so etwas erfahren haben, sogar ihren Namen. So wird aus Saulus im Neuen Testament: Paulus. Um auszudrücken, ab jetzt lebe ich ein anderes Leben. Sogar meinen alten Namen tausche ich ein gegen einen neuen.
Auch der Dichter, Theologe und Arzt Johannes Scheffler, geboren am 1. Weihnachtsfeiertag des Jahres 1624 in Breslau, hat so eine Wende in sei-nem Leben erfahren. Fortan hat er sich Angelus Silesius genannt. Der schlesische Bote.

Vielleicht war es sein besonderes Geburtsdatum am 1. Weihnachtsfeiertag, was ihn darüber nachdenken ließ, was Weihnachten eigentlich bedeutet. Gerade für ihn selbst. Seine Antwort hat er mit einem kleinen, aber einprägsamen Vers gegeben: „Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren, und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

Ich verstehe das so: Weihnachten soll für mich nicht nur ein schönes Datum auf dem Kalender sein. Und auch nicht die folkloristische Verklärung eines Geburtstages aus ferner Vergangenheit. Nein, an Weihnachten geht es um mich selbst. 

Es geht um die Erfahrung, dass ich mich nicht länger im Labyrinth einer zerrissenen Gegenwart verlieren muss. Sondern mich neu orientieren kann. Weil Weihnachten der Tag ist, an dem Christus in Bethlehem geboren ist. Aber eben auch der Tag, an dem Gott jetzt zur Welt kommen will. In mir.

Und wenn Gott in mir zur Welt kommt, dann heißt das: mir geht ein Licht auf. Ein Stern vielleicht, der die Spur zeigt, die von der Krippe in Bethlehem damals in meinen Alltag heute führt. Das macht mich leichter, dankbarer und hoffnungsvoller.

Dann ist es im Übrigen auch nicht wichtig, wo und wie ich feiere. Ob im Wohnzimmer, in einem Fußballstadion oder unter freiem Himmel. Entscheidend ist: Weihnachten ist Geburtstag. Einer, der auch meiner werden kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32249
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