Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

01APR2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Jesus hat so Sachen gesagt, die klingen fast wie ein Scherz. Z.B.: „Liebe deine Feinde“. Ich meine: Den Feind lieben... – Das kann doch niemand ernsthaft von mir verlangen. - Ich kann doch nicht plötzlich große Gefühle haben für jemanden, den ich eigentlich verabscheue. Oder?

Aber vielleicht ging es Jesus ja gar nicht um die großen Gefühle. Sondern um das praktische Handeln. Denn genaugenommen sagt er eigentlich: „Tu deinem Feind Liebe an.“ Also: Tu ihm etwas Gutes. Schön und gut. – Aber warum sollte ich das tun?

Ich glaube, Jesus meint: Damit das aufhört, mit diesem ewigen Kreislauf von Hass und Gegenhass; von Gewalt und Gegengewalt. Wenn man ernsthaft will, dass das aufhört, muss einer damit anfangen. Und Jesu hat dazu aufgefordert: Mach du den ersten Schritt!

Und er hatte da auch ganz praktische Vorschläge. Er hat z.B. gesagt: „Wenn dich einer zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann gehe zwei Meilen mit.“

Gut, das verlangt heute kein Mensch. Aber Jesus hat ja zu den Leuten seiner Zeit gesprochen. Und zu seiner Zeit waren die Römer die größten Feinde. Die Römer waren ja die Besatzungsmacht; und die hat sich lauter Vorrechte herausgenommen.

Eines dieser Vorrechte war: Jeder römische Legionär hatte das Recht, jeden Einheimischen anzuhalten, der gerade vorbeigelaufen kam. Und ihm sein Gepäck aufzuhalsen. Und der hat es dann eine Meile lang für ihn tragen müssen.

Man kann sich vorstellen, dass das nicht besonders gut ankam...

Jesus hat nun vorgeschlagen: Verwandelt euren Groll in Freundlichkeit; und im Fall der Römer: verwandelt den erzwungenen Dienst in ein freiwilliges Geleit. Geht zwei Meilen mit statt einer! Wozu? - Um den Feind zu entwaffnen.

Man kann sich gut vorstellen, dass der Römer ganz schön verblüfft gewesen wäre, über so ein Verhalten. Und dass er auf der folgenden Meile ein Gespräch angefangen hätte. Um das ungewöhnliche Verhalten zu ergründen.

Und wer neugierig geworden ist und mehr erfahren will, der fängt an, den Menschen zu sehen, hinter dem Feind. Das ist das Geheimnis der Feindesliebe. – Und kein Scherz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30635
weiterlesen...