SWR2 Wort zum Tag

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Auf meinem Schreibtisch steht eine Postkarte mit einem schlichten Satz: „Wenn zu perfekt, liebe Gott böse!“ Ich habe die Karte von einem Freund zu meiner Amtseinführung geschenkt bekommen.

Der Ausspruch stammt von Nam June Paik, einem südkoreanischen Künstler, der schon in den 1960er Jahren Installationen mit Fernsehern gestaltet hat und seitdem als Begründer der Video- und Medienkunst gilt. Das Thema von Gebrauch und Missbrauch neuer Technologien zieht sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Werk.

„Wenn zu perfekt, liebe Gott böse“. Ich weiß, warum mir mein Freund ausgerechnet diese Postkarte mit diesem Satz in die Hand gedrückt hat. Ich bin nämlich jemand, der sehr verantwortungsvoll und pflichtbewusst ist. Der das, was er macht, zu mindestens einhundert Prozent machen will. Ich habe einen ziemlich hohen Anspruch an die Dinge und an mich selbst und will meine Arbeit gut machen. Eben möglichst perfekt.

Das ist ja vielleicht durchaus lobenswert. Bekomme ich zumindest immer wieder gesagt. Das freut mich auch. Ich habe aber auch schon gemerkt, dass mich mein Anspruch manchmal ganz schön viel Kraft, Zeit und Energie kostet. Dann komme ich an meine Belastungsgrenzen. Ich stelle fest, jetzt habe ich es übertrieben.

Deswegen habe ich diese Karte gut sichtbar auf meinen Schreibtisch deponiert. Sie erinnert mich daran, dass ich gar nicht perfekt sein muss. Eigentlich gar nicht perfekt sein soll. Um meiner selbst willen nicht. Und, wie heißt es so schön, um Gottes willen nicht. Ich weiß, bei ihm kann ich so sein, wie ich bin.

Natürlich heißt das nicht, dass ich deswegen immer tun und lassen kann, was ich will. Wie z.B. einfach einmal den einen oder anderen Sonntagsgottesdienst sausen zu lassen nur weil ich vielleicht gerade keine Lust dazu habe.

Und auch im ganz normalen Wochenalltag kann es für mich nicht darum gehen, dem Schlendrian nachzugeben, sondern danach zu streben, meine Arbeit gut zu machen. Eine anständige Predigt zu halten. Ein Seelsorgegespräch achtsam zu führen. Eine Veranstaltung sorgsam zu planen. So, wie es mir möglich ist. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

„Wenn zu perfekt, liebe Gott böse“. Die Postkarte ist eine liebevolle Ermahnung. Sie erinnert mich daran, dass ich Gottes Kind bin. Ich bin von ihm angenommen, ganz genau so wie ich bin. Mit Fehlern und Schwächen.

Ich darf und soll danach streben, etwas möglichst gut zu machen. Das ist im Grundsatz richtig. Nur übertreiben muss ich nicht. Ich darf fehlbar sein. Ich darf Mensch sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28370
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