SWR4 Abendgedanken

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Mich beschäftigt das Gespräch mit einem Vater, das ich schon vor längerer Zeit gehabt habe. Sein Sohn ist längst erwachsen. Aber den Vater bekümmert, dass seinem Sohn die christliche Religion nicht viel bedeutet, obwohl es beiden Eltern bei der Erziehung wichtig war. Und damit ist er nicht allein. Manchen Eltern fällt es schwer mitanzusehen, wenn ihr Kind als Erwachsener ganze andere Wege geht als sie gedacht haben und andere Lebensentscheidungen trifft als sie für richtig halten. Erst recht, wenn Ihr erwachsenes Kind in Lebenskrisen stürzt, etwa durch eine psychische Krankheit.

Manche von ihnen fragen, was sie bei der Erziehung falsch gemacht haben. Es ist, als ob sie eine Lossprechung bekommen wollen, weil sie sich schuldig fühlen und nicht wissen, wie sie jetzt damit umgehen sollen. Ich habe aber das Gefühl, dass das gar nicht der Punkt ist. Mag sein, dass sie Fehler in der Erziehung gemacht haben, weil sie zu wenig konsequent waren oder ihrem Sohn, ihrer Tochter als Kind zu wenig zugetraut haben. Da steht mir kein Urteil zu.

Aber wo steht denn geschrieben, dass man keine Fehler machen darf? Wer als Mensch handelt, wird immer auch Fehler machen. Es geht doch eher darum, wie ich mit meinen Fehlern umgehe. Dass ich meine Fehler erkenne und sie mir eingestehe. Ich muss mich von dem Anspruch verabschieden, dass ich alles perfekt mache. Ich bin höchstens einer, der sein Bestes gibt.

Deshalb finde ich wichtig, nicht an dem herumzumachen, was war, sondern in die Zukunft zu schauen. Den Vater mit dem erwachsenen Sohn habe ich gefragt, was er jetzt für seinen Sohn tun kann, wo er erwachsen ist. Das Ergebnis war ganz einfach, und wir waren uns schnell einig: Der Sohn wünscht sich einen Vater, der zu ihm hält, auch wenn er nicht so ist, wie der Vater es sich gewünscht hat. Dazu gehört auch, dass man akzeptiert, wenn der Sohn die religiösen Werte nicht übernimmt.

Für mich ist entscheidend, dass Eltern ihr Kind bedingungslos lieben, auch wenn sein Leben nicht ideal oder nach Wunsch verläuft. Vermutlich ist das die perfekte Liebe: Dass ich als Mensch das Unperfekte mit väterlicher oder mütterlicher Liebe mittrage. So stelle ich es mir bei Gott auch vor. Auch wenn ich vermutlich nicht in allem so bin, wie er es geplant hat oder wie es am besten wäre: Ich verlasse mich darauf, dass er mir mit seiner väterlichen und mütterlichen Seite den Rücken stärkt und zu mir hält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28309
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