SWR2 Wort zum Tag

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Der Titel dieses Buch springt sofort ins Auge, vermutlich nicht nur mir als Theologen: „Der Vogelgott“ heißt der Roman von Susanne Röckel, der im Herbst letzten Jahres erschienen ist.

Das Buch ist sicher kein theologisches Fachbuch. Aber umso mehr geht es um alles, was irgendwie unerklärlich ist, um Archaisches und Abgründiges, Wirklichkeit und Wahn. Und so hat es mich letztlich doch provoziert: Darüber nachzudenken, wie ich mir Gott eigentlich vorstelle.

Der „Vogelgott“, um den es hier geht, hat nichts mit dem liebenden und befreienden Gott der Bibel zu tun. Eher steht er für eine dunkle, dämonische Macht,  und die hat die Gestalt eines unheimlichen Greifvogels.

Vier Menschen begegnen diesem „Vogelgott“ und sie erfahren dabei etwas, das jenseits von alldem liegt, womit sie rechnen, was sie bisher gedacht und gefühlt haben.

Diese vier Menschen, sind ein Vater und seine drei Kinder. Der Vater ist ein Hobby-Vogelkundler, der fast schon besessen nach etwas Außergewöhnlichem für seine Sammlung ausgestopfter Vögel sucht. Der älteste Sohn ist ein rationaler, leicht zynischer Journalist. Die Tochter untersucht mit dem analytisch-distanzierten Blick der Kunstgeschichtlerin Mariendarstellungen aus der Barockzeit. Und der Jüngste ist ein verkrachter Medizinstudent, der sein Leben nicht so richtig auf die Reihe bringt.

Alle vier schauen in einen vermeintlich „leeren“, gott- und götterlosen Himmel. Plötzlich, unerwartet und unabhängig voneinander, werden alle vier mit dem „Vogelgott“ konfrontiert und diese verstörende Begegnung verändert ihr Leben:

Dem gescheiterten Medizinstudenten zeigt sich der „Vogelgott“ während eines Aufenthaltes in einem Missionscamp, irgendwo am Rand der zivilisierten Welt; der Volksstamm verehrt den „Vogelgott“ in blutrünstigen Ritualen.

Dem nüchternen Journalisten begegnet der „Vogelgott“ in einer scheinbar  besessenen Frau und einem modernen Alchimisten. Und der Vater, der Vogelkundler, stößt auf seinen ganz außergewöhnlichen Vogel. Den Versuch, ihn zu fangen, zu töten und zu besitzen, überlebt der Vater fast nicht.

„Der Vogelgott“ von Susanne Röckel ist ein skurriles, in manchem bizarres Buch. Und doch fand ich es faszinierend: Vier Menschen widerfährt, was völlig jenseits dessen liegt, womit sie rechnen.

Das erinnert mich dann doch wieder an manche biblische Geschichte: Gott eröffnet immer wieder einen völlig neuen Blick auf die Wirklichkeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28160
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