SWR2 Wort zum Tag

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Wie kann es für alle gerecht zugehen? Das ist eine große Frage. Bei unserem Gemeindefest in diesem Jahr wollten wir das im Kleinen herausfinden und haben deshalb etwas Neues probiert: Es gab diesmal keine Preisliste. Kaffee, Kuchen und Getränke waren kostenlos zu haben – es wurde aber um eine Spende gebeten. Wir wollten damit erreichen, dass auch Menschen mit schmalem Geldbeutel unbesorgt mitfeiern können.

Nicht alle Festgäste waren allerdings mit dieser Regelung einverstanden. Manche sind aus Protest sogar erst gar nicht gekommen. „Das ist doch nicht fair“, haben die Kritiker gesagt. „Da bedienen sich dann manche einfach kostenlos, während ich mich verpflichtet fühle, etwas zu bezahlen – und oft sind es Leute, die genug Geld haben, die nichts geben!“ 

Ich kann diese Kritik nachvollziehen. Es kommt bestimmt vor, dass jemand, der rechnen muss, trotzdem etwas in die Spendenkasse wirft, während ein anderer, dem es eigentlich nichts ausmachen dürfte, aus Nachlässigkeit oder sogar aus Geiz nichts gibt. Das ist ärgerlich. Also doch lieber zurück zur Preisliste? 

Beim Nachdenken darüber ist mir eine Geschichte eingefallen, die Jesus erzählt. Es geht um Menschen, die als Aushilfe tageweise im Weinberg arbeiten. Einige fangen schon früh am Morgen an. Der ausgemachte Lohn ist fair, aber keineswegs üppig. Soviel etwa, wie man an einem Tag zum Leben braucht. Den Tag über werden weitere Arbeiter angeheuert. Manche fangen erst kurz vor Feierabend mit der Arbeit an. Am Abend bekommen alle den ausgemachten Lohn. Diejenigen, die früh begonnen und den ganzen Tag geschuftet haben, werden daraufhin ärgerlich: Wenn selbst diejenigen, die nur kurz gearbeitet haben, den vollen Betrag bekommen, dann hätten wir doch Zuschlag verdient, oder? Der Weinbergbesitzer allerdings sieht es anders: Was regt ihr Euch auf? Ihr habt bekommen, was vereinbart war! Oder habt ihr ein Problem damit, dass ich großzügig bin? 

Eigentlich, habe ich gemerkt, ist es beim Gemeindefest so ähnlich wie im Weinberg. Jeder bekommt Kaffee, Kuchen und Getränke für sich selbst zu einem fairen Preis und könnte zufrieden sein. Der Ärger entsteht erst beim Blick auf die anderen. Daran, dass sie eventuell einen Vorteil haben oder sich herausnehmen, den ich nicht habe. 

Im „Himmelreich“, bei Gott, geht es zu wie bei diesem Weinbergbesitzer – so leitet Jesus seine Geschichte ein. Jeder bekommt das, was er für sich braucht. Gerechtigkeit ist da nicht relativ. Es geht nicht darum, wie ich im Vergleich zu anderen dastehe. Wo es für mich gut ist, muss ich mir keine Gedanken machen, ob andere vielleicht noch besser wegkommen. 

Ich gebe zu: Diese „himmlische“ Art von Gerechtigkeit zu denken und zu leben, fällt mir immer wieder schwer. Aber ich glaube: Es lohnt sich. Und beim Gemeindefest ist ein guter Ort, es im Kleinen zu üben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26996
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