SWR1 Begegnungen

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JDorothea Hillingshäuser, Foto: Gregor Ziorkewiczanine Knoop-Bauer trifft Dorothea Hillingshäuser, Referentin für geistliches Leben

Den Körper als Tempel des Heiligen Geistes verstehen lernen

Ich besuche die evangelische Theologin in Frankfurt, weil ich wissen will wie das geht: Gott spüren, obwohl er unsichtbar ist. In der theologischen Tradition gibt es dafür ein Wort: Spiritualität. Aber was kann ich mir darunter vorstellen. Das frage ich die Referentin für Geistliches Leben als ich sie treffe.

Natürlich hat Spiritualität etwas damit zu tun wie ich mein Leben in Verbindung mit dem Heiligen Geist Gottes gestalte. Also: Geb ich dem Heiligen Geist ne Chance irgendwie in mir zu wirken oder nicht. Andrerseits ist das ja nichts was wir machen können (…) sondern das geschieht ja eher in den Augenblicken, die uns geschenkt werden.

Gott zu spüren, dazu braucht es den heiligen Geist. Aber: schon die Autoren der Großen reformatorischen Bekenntnisschriften wussten: Gottes Geist ist unverfügbar. Sie schrieben: Gottes Geist weht wo und wann er will. Spiritualität kann dann nur bedeuten, dass ich meine Achtsamkeit schule, um den Augenblick nicht zu verpassen. Wenn er „kommt“ Für Dorothea Hilingshäuser spielt dabei der Körper eine wichtige Rolle.

Der Körper ist eine einzigartige Erkenntnisquelle und davon können wir ganz viel lernen.

Erstaunlich, sie glaubt, dass man Gott nicht nur mit dem Kopf, sondern körperlich erfahren kann. Aber das passt auch gut zu dem was in der Bibel steht.  Der Apostel Paulus hat in einem Brief geschrieben: der Körper ist der Tempel des Geistes. Gerade auch in der protestantischen Theologiegeschichte ist diese Einsicht zeitweise in Vergessenheit geraten.

Das was die Reformationsgeschichte in Gang gesetzt hat – namentlich eine starke Konzentration auf das Wort, dass die Predigt so ins Zentrum eines Gottesdienstes gerückt wurde hat auch zur Folge gehabt (…) das noch stärker der Körper vernachlässigt wurde – bis dahin, dass es ja richtige leibfeindliche Tendenzen gibt, den Körper ganz auszuklammern und alles was mit dem Körper zu tun hat.

Dorothea Hillingshäuser hat sich auf Spurensuche begeben und genau hingeschaut: Wo kommt der Körper in der christlichen Religion vor und wo ist er positiv besetzt. Und sie war selbst überrascht: Da ist vielmehr als sie gedacht hat:

Mit dem Fokus wie stark Körperlichkeit in unserem Glauben, in der Bibel, in unseren Traditionstexten eine Rolle spielt, entdecke ich, wieviel mehr Leiblichkeit eigentlich darinnen ist als ich gewohnt war darin zu sehen.

Eigentlich nur folgerichtig, denke ich, für eine Religion, in der der Leib Christi eine so wichtige Rolle spielt. Im Abendmahl erinnern wir uns daran: Dies ist mein Leib… dies ist mein Blut. Dorothea Hillingshäuser will andere an ihren Erkenntnissen teilhaben lassen.  Gemeinsam mit der Pädagogin Ellen Kubitza hat sie daher  eine Form christlicher Körperarbeit entwickelt: Das spirituelle Körperlernen. Und sie hat den Anspruch, dass man damit besser verstehen lernt, was es eigentlich heißt eine Christin zu sein. 

Was (…) diesen Ansatz des spirituellen Körperlernens ausmacht, dass Menschen in ein mündiges Christentum geführt werden.

Christliche Freiheit am eigenen Leib spüren

Spirituelles Körperlernen. Die Theologin Dorothea Hillingshäuser hat diese spezielle Form christlicher Körperarbeit mitentwickelt. Sie will zeigen: Leib und Seele, gehören zusammen. In der Bibel ist das noch verbunden. Zum Beispiel ist das Wort Kehle und Seele im Hebräischen identisch, „näfäsch“ bedeutet beides: mit der Kehle lobe ich Gott, und die Seele lobt dabei mit. Wenn ich meinen Körper als Christin intensiver spüre, dann kann das auch ein Weg zur Selbstliebe sein:

Dieser kleine zentrale biblische Satz: Liebe Deine Nächsten wie Dich selbst (…) das ist ja was, das in der Tradition ziemlich verrutscht ist. Und die Selbstliebe darf nicht ganz verloren gehen, weil sonst der Dreiklang von Gottesliebe, Nächstenliebe und Liebe zu Dir selbst Misstöne bekommt.

Den eigenen Körper liebevoll annehmen - das ist eine wichtige Botschaft in Zeiten der körperlichen Selbstoptimierung. Zwischen der „Frühlingsentschlackungskur“ und dem „besten Weg zur perfekten Bikinifigur“, die uns die Titel der einschlägigen Zeitschriften versprechen, klingt das in meinen Ohren heilsam. Dorothea Hillingshäuser macht klar:

In der Körperarbeit (…) spielt ´ne große Rolle dabei anzusetzen was Menschen gerade mitbringen und das heißt. Wenn`s um die Körperwahrnehmung geht, geht`s nicht darum irgendwie irgendein Ideal zu erreichen sondern einfach hinzuspüren, wie bin ich jetzt da.

Selbsterkenntnis - das findet nicht nur im Kopf statt. Der Körper gibt uns viel Aufschluss über uns selbst und darüber, wie wir in der Welt unterwegs sind. Dorothea Hillingshäuser erzählt von einer einfachen Übung, die Teil Ihrer Seminare ist. Alle Teilnehmer bewegen sich in einem Raum. Immer wenn sie jemandem begegnen grüßen Sie. Die Geste variiert dabei, je nachdem, wie gut man jemanden kennt, wie nah man sich kommt, wie man zu grüßen gewohnt ist. Eine Botschaft und doch gibt es unzählige Wege sie körperlich auszudrücken. Über den Körper können wir ein Gespür für die Fülle unserer Möglichkeiten bekommen. .

Du kriegst ein Gefühl dafür was für ein unendliches Potenzial Du hast. Und nur das Wissen um das Potenzial heißt schon, dass Deine Entscheidungsmöglichkeiten und –Freiheiten Dir klarer werden und das finde ich etwas zutiefst christliches. Also wir sind nicht festgelegt darauf, dass wir immer alles gleich machen müssen und wir können uns von den Mustern die uns bestimmen auch wieder lösen.

Für Dorothea Hillingshäuser steht fest: Über den Körper können wir einen Zugang zu zentralen Aspekten des christlichen Glaubens bekommen: Selbstliebe und christliche Freiheit sind dabei wesentlich. Wir können erkennen: Der christliche Gott ist ein liebender Gott. Ein Gott, der den Menschen die Möglichkeit schenkt immer wieder neu anzufangen. Ein Gott, dessen Botschaft Dorothea Hillingshäuser als Zusage versteht: 

…dass das, was Du einzigartig in diese Welt hineinbringst was Wertvolles ist und das tut einfach gut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26242
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