Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Kaffee…Bäckerei…Schule…Rathaus…“ Mein Sohn lernt gerade lesen. Und wenn wir jetzt in der Stadt unterwegs sind, entdeckt er überall Worte. Auf Straßenschildern, über Geschäften, an Litfaßsäulen. Und überall entziffert  er die Botschaften. Bei jedem neuen Wort leuchten seine Augen. Weil er plötzlich etwas verstanden hat, was er vorher nicht begreifen konnte. Und weil die Zeichen, die ihn schon immer umgeben haben, plötzlich Sinn machen.

Der Apostel Paulus hat einmal an die Gemeinde in Korinth geschrieben, wie er sich das Ende der Zeit vorstellt. Paulus hat sich darauf gefreut. Für ihn war das kein Schreckensszenario. Denn nach christlicher Auffassung kommt Jesus am Ende der Zeit zurück, um die ganze Welt zu erlösen. Für Paulus kein Grund sich zu fürchten. Er hat das eher beschrieben wie einen Moment, in dem einem die Augen geöffnet werden. In einem Brief hat er es so formuliert:  „Jetzt sehen wir in einem Spiegel ein dunkles Wort, aber dann von Angesicht zu Angesicht.“

Am Ende der Zeit, davon war Paulus überzeugt, werden uns die Augen aufgehen. Dann werde ich vieles ganz neu sehen, was mich heute umgibt. Und vieles anders und neu bewerten. Ich stelle mir das so ähnlich vor wie bei meinem Sohn und den Buchstaben. Auch ich bin überall umgeben von Zeichen, die ich nicht richtig deuten kann. Vieles was ich erlebe und sehe macht keinen Sinn. Und manches ist einfach unbegreiflich. Z.B. warum es so viel Ungerechtigkeit gibt. Oder warum es so schwer ist in Frieden miteinander zu leben. Ich verstehe auch nicht, warum Unschuldige leiden müssen. Vieles in der Welt kann ich nicht verstehen und nur schwer ertragen. Und wenn ich mal wieder daran zu verzweifeln drohe, dann sind mir Paulus Worte ein Trost. Ich freue mich mit ihm auf diesen letzten Tag am Ende der Zeit. Und ich hoffe, dass meine Augen dann auch so strahlen werden, wie die von meinem Sohn, wenn  ich endlich verstehe  was das alles soll.

 

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