SWR4 Abendgedanken

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„Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt, glücklich zu sein.“ Diesen Satz hat die Australierin Bronnie Ware oft gehört. Sie hat über viele Jahre todkranke Menschen gepflegt. Und sie hat aufgeschrieben, worüber sie mit ihnen in dieser Zeit gesprochen hat. Ihr Buch heißt: „Fünf Dinge, die Sterbende am meisten bedauern.“

Da heißt es: Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben. Oder: ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet. Andere bedauern, dass sie sich nicht getraut haben, ihre Gefühle zu zeigen oder ihre Freunde so selten gesehen haben.

Doch am meisten spricht mich der Satz an: „Ich wünschte, ich hätte mir erlaubt, glücklicher zu sein.“ In dem Buch wird das so beschrieben: Es gibt Leute, die sind über viele Jahre verbittert wegen einer Trennung oder eines Unglücks. Sie fühlen sich um das Leben betrogen. Glücklich sein – das geht nicht mehr. Am Ende des Lebens stellen sie fest: Ich habe nur dieses eine Leben. Eigentlich schade, dass ich mir nicht erlaubt habe, glücklicher zu sein. Viele Menschen, so heißt es in dem Buch, hätten nicht erkannt, dass Glücklichsein eine Entscheidung ist.

Ich weiß nicht, wie es gelingen kann, nach einer tiefe Lebenskrise wieder glücklich zu werden. Aber ich denke jetzt einfach mal an meinen Alltag. Da lasse ich mir oft zu schnell die gute Laune verderben. Richtig aufgeregt habe ich mich zum Beispiel, als ich im letzten Monat meine Geldbörse gesucht habe. Erfolglos. Bald war klar: Irgendwer hat sie geklaut, als die Haustür offen stand. In dem Moment dachte ich, die Welt geht unter. Heute ist es Schnee von gestern.

Und da gerade die Zeit ist, um sich gute Vorsätze für das neue Jahr zu überlegen: Ich will mir erlauben, glücklicher zu sein.  Dazu brauche ich aber einen Trick: Kreuz und quer trage ich mir in den neuen Kalender ein: Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein. Im April, Juli, September – ganz egal. Ich kenne mich. Wenn dann mal wieder so ein Tag gekommen ist, an dem Kleinigkeiten mir die Nerven rauben, stelle ich vermutlich fest: Heute hätte ich ganz vergessen, glücklich zu sein. Wie gut, dass ich es mir schon früh eingetragen habe. Schon kann ich es mir erlauben, einfach glücklich zu sein.

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