SWR3 Gedanken

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Du siehst mich! Das ist das Motto des Evangelischen Kirchentags. Heute Abend geht es los. Nicht nur in Berlin, auch in Wittenberg, wo vor 500 Jahren die Reformation begann und die Welt für immer verändern sollte. Circa zweihunderttausend vor allem junge Leute werden bis Sonntag unterwegs sein zu zu Bibelarbeiten, Vorträgen, Podien, Theater, Konzerten und Gottesdiensten. 

„Du siehst mich?“ Gar nicht so einfach, wenn man es mit so vielen zu tun hat. Auf der Straße und im Büro, via Skype, Facebook  und Whatsapp. Man kennt sich, man sieht sich! Aber sieht man sich wirklich? Wann fühlst du dich gesehen? Angesehen?

Darum geht’s auf diesem Kirchentag. „Du siehst mich!“ der Satz stammt aus einer Geschichte der Bibel. Vor fast 3000 Jahren sagt eine junge Frau: „Du siehst mich!“ Das war ein Jubelschrei. Weil sie tatsächlich fast gestorben wäre, hätte sie nicht jemand gesehen.

Die junge Frau war eine Magd und hat sich darauf eingelassen, Leihmutter zu sein für ihre Herrin. Aber kaum war sie schwanger, fing die Herrin an, sie zu drangsalieren. Damit sie nur nicht hochmütig wird. Irgendwann hat sie es nicht mehr ausgehalten und ist in die Wüste geflohen. Und wäre dort sicher umgekommen mit ihrem Kind im Bauch. Wäre ihr nicht ein Engel begegnet.

Wer dieser Engel war, erzählt die Geschichte nicht. Jedenfalls war er der erste, bei dem sie das Gefühl hatte: Der versteht meine Situation. Der sieht meinen Schmerz. Und das hat genügt. Hat genügt, damit sie das, was so schrecklich war, in Zukunft aushalten konnte. Sie konnte zurückgehen und das Kind zur Welt bringen.
Es ist ganz erstaunlich, was Menschen aushalten können, wenn sie die Erfahrung machen: da ist einer, der mich sieht. Und was ich erlebt habe, das ist wahr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24270
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