Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Moli ist sieben. Wir kennen uns seit eineinhalb Jahren. Mit seiner Mutter und seiner Schwester ist er aus dem Kosovo gekommen. Moli will mir unbedingt etwas sagen: „Weißt du, ich denke jeden Tag an meinen Bruder. Ich weiß nicht, wo er wohnt. Ich weiß auch nicht, wie er heißt. Ich weiß noch nicht mal mehr, wie er genau aussieht. Ich weiß nur: Er ist mein großer Bruder. Und willst du wissen, warum?“

Und ob ich das wissen will. Denn von einem Bruder hatte mir bisher niemand etwas aus der Familie erzählt.  Moli strahlt: „Mein Bruder hat mich auf seinem Rücken getragen, als ich nicht mehr laufen konnte. Als ich total müde war und mir meine Beine weh getan haben. Da hat er mich einfach getragen. Damals im Wald. Ich weiß nicht, wo das war. Ich weiß nur: Ich hab einen Bruder.“

Moli erzählt mir das fast beiläufig, einfach so beim Spielen. Seine Mutter nickt mit dem Kopf: „Ja, das war einfach großartig. Ich wusste nicht mehr, wie ich mit den beiden Kindern weiterkommen sollte. Und dann hat sich der junge Mann Moli einfach auf den Buckel gepackt und weiter ging´s. Ohne viel Worte. Seitdem nennt Moli den fremden Mann Bruder. Ich bin heute noch so dankbar und bete jeden Tag für ihn. Auch wenn ich ihn nicht kenne.“  

Mich berührt die Geschichte. Wie schön und treffend beschreiben die beiden, was ein Bruder ist: Einer, der trägt, der zupackt, wenn Hilfe nötig ist. Einer, den Not nicht kalt lässt. Ganz gleich, ob ich ihn kenne oder nicht.

Von so einem Bruder erzählt auch die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Sie steht in der Bibel. Der Samariter sieht einen Mann auf dem Boden, ausgeraubt und verletzt. Er überlegt nicht lange, er spürt, was zu tun ist. Der Samariter packt den Verletzten auf seinen Esel und bringt ihn ins nächste Gasthaus. Dort kann er sich erholen. Zwei andere Männer haben das zuvor nicht getan. Sie haben den Verletzten links liegen lassen. Der Samariter jedoch sorgt dafür, dass er gepflegt und versorgt wird.

„Der Samariter“, würde Moli sagen, „ist wie ein Bruder. Und so ein  Samariter ist mir auch begegnet. Auf meinem Weg nach Budenheim.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23101
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