SWR4 Abendgedanken

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„Wir waren auf alles vorbereitet. Nur nicht auf Kerzen und Gebete.“ So hat ein Stasi-General die friedliche Revolution kommentiert, die 1989 zum Ende der DDR geführt hat.

 „Wahnsinn“ haben die Leute damals gesagt. Weil der Fall der Mauer und die Wende so sehr dem widersprochen haben, womit alle gerechnet hatten. Ich denke, selbst die Menschen, die damals an den Montagsgebeten teilgenommen haben, hatten sich das so nicht vorstellen können.

Seit Beginn der achtziger Jahre waren sie zusammengekommen. An jedem Montag hatte die Leipziger Nikolaikirche eingeladen, gegen das Wettrüsten und für den Frieden anzubeten. Ich frage mich, ob die Beterinnen und Beter damals selbst der Macht ihrer Gebete noch vertraut haben nach beinahe 10 Jahren. Ob sie wirklich darauf gehofft haben, dass ihre Gebete und die Kerzen wirken würden? Oder ob sie damit zufrieden waren, wenigstens ein Zeichen zu setzen; ein Zeichen für das, wovon sie geträumt haben: Von einer Welt mit weniger Feindschaft. Von einem wieder vereinten Deutschland. Die meisten hatten dieses Ziel damals längst aus den Augen verloren.

1989 wurden es immer mehr bei den Montagsgebeten. Im Oktober und November waren es 70.000 allein in Leipzig. Anschließend sind sie mit Kerzen durch die Stadt gezogen. Und das Beten und ihr stiller Protest hatten Erfolg. Am 9. November wurde die Mauer geöffnet. Das hat vermutlich vor allem die verblüfft, die dem Beten nicht viel zutrauen: Die Politiker, die die Montagsgebete für harmlos gehalten haben. Und der Erfolg hat vielleicht auch die überrascht, die sich mit weniger zufriedengeben wollten. Die im Beten vor allem Kraft zum Durchhalten gefunden haben und die am Ende gar nicht mit einer Revolution gerechnet hatten. Noch dazu mit einer friedlichen.

Mir macht die Geschichte von damals Mut. Manchmal, wenn ich für eine Sache bete, die mir wichtig ist, weiß ich nicht, was der richtige Weg ist. Dann bete ich, dass Gott sich was einfallen lässt, wie es am besten gehen kann. Das Beten hilft mir dann, mich besser auf das einzustellen, was jetzt dran ist. Ich denke dann an die Kerzen und Gebete in Leipzig und nehme ich mir vor: Ich will darauf vorbereitet sein, dass mein Beten etwas bewirkt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23093
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