SWR3 Gedanken

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Irgendwo hoch in den Anden quält sich Debbie aus dem Schlafsack. Es ist erst der zweite Tag unserer geführten Trekkingtour, aber Debbie geht es richtig schlecht. Nicht nur die Höhe macht ihr zu schaffen. Sie hat ein handfestes Magenproblem.

Unser Führer empfiehlt ihr mit einer ankommenden Gruppe wieder zurück zu gehen. Debbie starrt ihn missmutig an und schüttelt den Kopf. Zu mir gewandt sagt sie auf Englisch: ich kann nicht aufgeben, ich leide unter Fomo.

Fomo – eine Abkürzung für ‘fear of missing out’ – hab ich bisher nur aus der Zeitung gekannt. Jetzt erfahre ich von Debbie wie unerträglich für sie die Vorstellung ist, diesen bekannten Trail nicht zu Ende zu gehen. Sie hat eine ganze Liste von Dingen, die sie bei ihrem Peruaufenthalt noch machen will. Oder besser abhaken will. Denn es geht weniger um das Erlebnis als darum, hinterher sagen oder posten zu können, ‚das habe ich gemacht.‘

Was denn passieren würde, wenn sie doch mal was abbrechen müsste, frage ich.
Dann schlägt Fomo zu. Die Angst, was auszulassen würde ihr Schlafstörungen machen und die nächsten Monate könnte sie dann nur noch darüber nachdenken, wie sie das Versäumte nachholen könnte, sagt Debbie. Sonst fühle sie sich nicht komplett, und außerdem als Versagerin. Grünbleich wie sie ist, macht sie schnell noch ein Selfie und postet es.

Debbies Krankheit Fomo sorgt dafür, dass die ganze Gruppe langsamer vorankommt. Wir teilen uns so ein, dass sie immer jemand von uns an der Seite hat. Am Abend kennen wir Debbie ziemlich gut, und sie uns. Unsere Gruppe aus lauter Unbekannten ist zu einem guten Team geworden. Abends fühlt sich Debbie immer noch krank, aber sie bleibt nach dem Essen in der Runde und mischt sich in die Unterhaltung ein.

Am nächsten Morgen überrascht sie uns grünbleich wie am Vortag mit der Nachricht, dass sie abbrechen werde. Und dein FOMO, frage ich. Debbie lächelt: ich hab was Besseres erlebt. Ihr habt mich ernst genommen und zu mir gehalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22643
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