SWR2 Wort zum Tag

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Der Sommer schmeckt: Nach Pfirsichen, Aprikosen und Trauben, Johannisbeeren, Mirabellen, Feigen und Vanilleeis, nach Salz auf der Haut und nach einem kühlen Glas Sommerwein an einem lauen Abend. Der Sommer schmeckt nach Fülle! Wie köstlich sind die  Früchte des Sommers! Wie bunt und vielfältig! „Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist“ heißt es in Psalm 34. Unsere deutsche Sprache benutzt das schöne Bild, dass man von etwas „einen Geschmack“ bekommen kann. Das bedeutet, dass man einen Eindruck gewinnt, möglicherweise auch Appetit bekommt auf mehr.

Unsere Sprache weiß darum, dass auch intellektuelles Begreifen mit dem ganzen Menschen zu tun hat. Es ist sicher kein Zufall, dass kleine Kinder Dinge, die sie erforschen möchten, in den Mund nehmen - oft zum Leidwesen ihrer Eltern. Die Kleinen wollen einen Geschmack gewinnen vom Leben. Die Zunge mit ihren empfindlichen Geschmacksknospen vermittelt dabei verschiedene Eindrücke: Süß, sauer, salzig und bitter. Das ist wie ein Bild für die Fülle des Lebens, und ich finde, dass der Sommer diese Fülle in ganz besonderer Weise abbildet. Süß schmeckt die Feige, salzig die Haut nach dem Bad im Meer, säuerlich meine Lieblings-Apfelsorte und bitter ist es, dass im August die Tage schon langsam kürzer werden.

Selbstverständlich kann ich die Früchte des Sommers auch ohne Glaubenshintergrund genießen. Mir schmeckt es jedoch besser, wenn ich dafür danken kann, wenn  ich mir vorstelle kann, dass Obst und Wein Geschenke Gottes sind. Möglicherweise liegt es daran, dass ich Enkelin einer Bauernfamilie bin, dass ich bei allem Genuss daran denke, wieviel harte Arbeit notwendig ist, um die Früchte zu genießen, wie oft eine Ernte auch zerstört wurde und wird durch Hagel oder Frost im Frühling. Doch gerade dieses Wissen macht mir den Genuss kostbar und vertieft die Freude daran. Die Fülle ist Luxus, nicht die Regel. Selbstverständlich ist Luxus nicht, sonst wird er langweilig. Luxus ist die Freude an dem Besonderen, an der Fülle und am Überschwang.

Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist - mit diesen Worten werden Menschen in den evangelischen Kirchen zum Abendmahl eingeladen. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist! Auch von Gott kann man einen Geschmack gewinnen. Im Sommer, in Brot und Wein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22582
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