SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Singen ist herrlich. Ob unter der Dusche oder bei Omas Geburtstag, ob im Fanblock des Fußballstadions oder in der Kirche. Singen ist wie beten. Man wächst über sich hinaus.

Als Kind hab ich oft und laut gesungen. Im Keller zum Beispiel, da musste ich öfters Kartoffeln holen oder eingemachte Pfirsiche. Im Keller gabs zwar Licht, aber jede Menge dunkle Ecken. Und jedes Mal, wenn es geknistert oder geknarrt hat, hab ich gedacht: Jetzt kommt das Monster raus und holt mich! Und dann, mit schlotternden Knien, hab ich gesungen. Ganz laut. Ein Lied, das ich im Religionsunterricht gelernt hab: „Großer Gott wir loben dich, Herr wir preisen deine Stärke! Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke.“ Damit hab ich alle Monster in Schach gehalten. Und die Angst auch.

Angst gibt’s auch im Fußballstadion. Dass der Verein Tore kassiert, dass die Jungs auf dem Rasen den Mut verlieren. Die Fans von Mainz 05 singen dann ihren Jungs zu: „Steht auf, wenn ihr Mainzer seid!“ Und wenn die gegnerische Mannschaft ein Tor kassiert hat, singen alle: „Wir sind nur ein Karnevalverein!“ Dann vibriert die Luft, dann verschmilzt man zu einer großen Gemeinschaft, dann wachsen die Spieler über sich hinaus.

Heute wird in den evangelischen Kirchen viel gesungen. Der Sonntag heute heißt nämlich „Kantate“ – singt! Das tun wir eigentlich jeden Sonntag in der Kirche, aber heute noch mehr, mit Orgel, mit Pauken und Trompeten. Da vibriert die Luft und alle, ob Fußballfan oder Sportmuffel, ob Kind oder Greis, ob mit Singstimme oder ohne- alle spüren: wir sind Teil eines großen Ganzen.

Singen ist wie beten. Man fühlt sich verbunden- mit dem eigenen Körper, mit den Anderen, mit dem Himmel. Und jeder wächst über sich hinaus. In einem Psalm heißt es: „Singt Gott ein neues Lied, denn er tut Wunder!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21867
weiterlesen...