Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute beginnt die Karwoche, die letzte Woche vor Ostern. Karwoche ist für viele erst mal Kehrwoche, Frühjahrsputz und bunte Eier im Vorgarten.
Für mich ist Karwoche mehr. Da laden viele Kirchen abends ein zur Andacht, zum Einkehren. In einem Passionslied heißt es: Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken.

Man muss schon stark sein, um das mit der Passion Jesu mal auf sich wirken zu lassen. Die Geschichte kann einen ganz schön runterziehen. Aber das sollte sie eigentlich nicht.

Leiden hat nämlich was mit Leidenschaft zu tun. Wer nicht leiden will, erlebt auch keine Leidenschaft. Herr, stärke mich dein Leiden zu bedenken, mich in das Meer der Liebe zu versenken, heißt es in dem Lied.

Jesus war ein leidenschaftlicher Mensch. Er wollte mit seinen Freunden das Passahfest feiern- in Jerusalem. Wie alle frommen Juden. Aber er wusste, dass an Passah die Stadt brodelt. Da kommen auch alle Bettler, Blinde, Lahme und Kranke zusammen. Viele waren mal stolze Bauern. Die die römische Steuerpolitik in den Ruin und die Krankheit getrieben hat. Sie haben gehofft, einer würde endlich mal Schluss machen mit den Römern, sie aus dem Land jagen. Und sie haben gedacht, Jesus würde das machen. Jesus, der Messias, der Wunderheiler, der Lehrer. Jesus hat gewusst, dass die Leute das von ihm wollten. Er wusste, wie gefährlich es war, in dieser Woche nach Jerusalem zu gehen. Warum ist er trotzdem dorthin gegangen? Warum hat er sich dieser Gefahr ausgesetzt?

Warum brechen Ärzte in Krisengebiete auf? Warum ziehen Journalisten in ein Kriegsgebiet, um von dort zu berichten? Wo sie es doch zu Hause so gemütlich hätten? Warum kümmert sich eine Frau um eine traumatisierte Flüchtlingsfamilie? Wo sie doch mit Freundinnen chillen könnte?

Jesus ist nach Jerusalem gegangen, weil er geglaubt hat, dass Gott ihn dort haben wollte. Genau da. Jesus hat an den Gott der Liebe geglaubt, nicht an den Gott der Gemütlichkeit.

Viele folgen ihm heute nach. Sie suchen nicht das Leiden, sie folgen ihrer Leidenschaft. Und wir alle leben davon, dass sie genau das tun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21647
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