SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Die Tür zum Cockpit ist geöffnet. Da steht er, der Kapitän zusammen mit seinem Co-Piloten, und begrüßt freundlich die einsteigenden Fluggäste. Ein Vertrauen erweckender Mann, flankiert von zwei ebenso freundlichen Stewardessen.  
Und doch – mir gehen beim Betreten des Flugzeugs die Bilder der letzten Wochen nicht aus dem Kopf. Der willentlich durch den Piloten herbeigeführte Absturz über den französischen Alpen.
Was ist der Mensch? , frage ich mich wieder einmal. Besteigt die höchsten Berge. Dringt vor in die entlegensten Klimazonen. Erfindet die aufregendsten Dinge, die das Leben erleichtern und sogar verlängern.
Aber dann kommt etwas, das mit dem Verstand nicht zu fassen ist. Ein Schüler geht jahrelang unauffällig zur Schule, bis er eines Tages mit dem Gewehr seines Vaters ein Blutbad unter seinen Mitschülern anrichtet.  Ein junger Pilot absolviert seine Ausbildung ohne Fehl und Tadel. Bis zu dem Tag, an dem er sein Flugzeug an einem Gipfel der französischen Alpen zerschellen lässt.
Was ist der Mensch? Einerseits, sagt die Bibel, wenig niedriger gemacht als Gott. Begabt mit unglaublichen Fähigkeiten. Aber dann: unbegreiflich, ein Abgrund, eine tickende Zeitbombe!  
Bei allen gut gemeinten und auch erfolgreichen Versuchen der Flugzeug- und Autoindustrie, unsere Sicherheit mit technischen Mitteln zu steigern - auf der Spitze dieser Entwicklung zeigt sich: der Mensch ist die Schwachstelle. Letztlich unkontrollierbar, unvorhersehbar in seinem Handeln, ein Rätsel.
Mir bringt das erneut ins Bewusstsein, wie verletzlich unser Leben ist. Und dass es – trotz allem, was geschehen ist - ohne gegenseitiges Vertrauen nicht geht. Ich lebe im wahrsten Sinne des Wortes davon, dass im Straßenverkehr auch die anderen Verkehrsteilnehmer die Regeln beachten. Dass sie mir auf der Straße nicht als Geisterfahrer entgegenkommen. Und dass ein Pilot mich sicher an den Zielflughafen bringt.  
Es ist ein schmaler Grat des Vertrauens, über den ich täglich gehe. So habe ich schließlich auch das Flugzeug betreten. Und war erleichtert und dankbar, dass mich die Crew mitsamt den anderen Passagieren sicher ans Ziel geflogen hat.
Die letzten Wochen haben wieder einmal gezeigt, wie verletzlich und verletzbar Vertrauen ist. Aber auch das: ohne Vertrauen wäre das Leben nicht nur unerträglich, sondern ganz und gar unmöglich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19639
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