SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Manche Leute glauben daran, wiedergeboren zu werden. Ich hoffe für mich persönlich, dass das nicht stattfindet. Alles noch mal von vorn, der Stress mit der Geburt, mühsam sprechen lernen, sich in der Schule langweilen, unglücklich verliebt sein und dies nicht nur einmal - also: Ich bin froh, dass ich das überstanden habe und brauche keine Wiederholung. Zwar ist für Christen mit dem Tod auch nicht alles zu Ende. Doch Auferstehung nach christlicher Vorstellung ist weder eine Endlosschleife Leben noch eine Wiedergeburt, bei der alles neu beginnt. Es ist ein Neubeginn mit Wiedererkennungswert. Jedenfalls interpretiere ich so die Begegnung des auferstandenen Jesus mit Maria Magdalena. Maria Magdalena erkennt Jesus nicht sofort wieder, offensichtlich war der Auferstandene sehr verändert. Erst, als Jesus sie mit ihrem Namen anspricht, begreift sie, mit wem sie redet.
Wenn ein naher, enger Mensch meinen Namen ruft, höre ich das selbst aus einer verwirrenden Menge von Stimmen heraus. Dieser vertraute Klang, das ist etwas Besonderes. Öfter klingen in mir auch die Stimmen von lieben Menschen nach, die längst gestorben sind. Ich habe den Ton ihrer Stimme noch ganz lebendig im Ohr, weiß genau, wie der Rhythmus ihrer Sprache, der Melodiebogen ihrer Rede klang. Möglicherweise ist die Auferstehung ähnlich. Gott erweckt gerade das zum Leben bei der Auferstehung, was meine liebsten Menschen ganz besonders macht. Das wäre für mich in Ordnung. Bedenken habe ich lediglich im Blick auf die Menschen, deren Stimmen mir noch im Rückblick wehtun, weil sie verletzend geklungen haben. Oder sogar gemein. Ich hoffe, dass Gott da eine Lösung findet.
Da die Auferstehung nicht meine menschliche Aufgabe ist sondern seine göttliche, sehe ich der Angelegenheit jedoch relativ entspannt entgegen. Hauptsache, ich muss mein ganzes Leben nicht von Geburt an neu starten. So schwierig auch manche Lebensstationen waren: Sie gehören zu mir und haben aus mir die Frau gemacht, die ich heute bin. Sicher kenne ich auch die Tage, die ich aus meiner Erinnerung streichen möchte. Doch auch sie haben mich geformt. Letztlich zu einer Person mit ziemlich vielen Fehlern und Macken. Diese auszubügeln würde wohl auch in zwei oder drei weiteren Leben nicht gelingen. Ich weiß auch gar nicht, ob das so wünschenswert ist. Mein Mann meint jedenfalls, dass er manche meiner Schrullen besonders liebenswert findet. Ich hoffe, Gott geht es genau so.

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