Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ich bin im Hunsrück geboren. Seit den Filmen „Heimat“ von Edgar Reitz ist diese Landschaft vielen Menschen ein Begriff. Mir persönlich gefallen besonders gut die Filme, die weit in die Geschichte zurück reichen. Dazu gehört auch „Die andere Heimat“, die im vergangenen Jahr den deutschen Filmpreis gewonnen hat.

Der Film spielt in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Tausende wegen Hungersnot und Armut den Hunsrück verlassen. Auf der Suche nach einem besseren Leben in Südamerika. Vier Stunden lang erzählt Regisseur Edgar Reitz das Leben der Familie von Jakob und Gustav Simon aus dem Dorf „Schabbach“ im Hunsrück.

Und weil der Kameramann und die Hauptdarsteller sich beim Erzählen enorm viel Zeit lassen, tauche ich tatsächlich ein in jene Jahre, in denen die Not groß war. Der Film stellt mir dabei eindrücklich vor Augen, wie hart es meine Vorfahren vor fünf oder sechs Generationen hatten. Im Kampf um das tägliche Brot. Er zeigt sterbende Kinder, Hunger und Elend in jedem Dorf. Menschen mit dem Gedanken, den Planwagen zu packen und aufzubrechen in ein unbekanntes, fremdes Land. Der Film geht mir durch Mark und Bein.

Wenn ich abends die Nachrichten anschaue, dann sehe ich immer wieder schreckliche Bilder aus Lampedusa. Auch hier: Menschen, die aufgebrochen sind, um in einem fernen Land neu anzufangen. Weil sie in ihrer Heimat verfolgt werden oder verhungern. Weil sie keine Heimat mehr haben. 

„Die andere Heimat“ - sie ist ein zeitloses Thema. Ihre Hauptdarsteller heißen heute nicht Jakob oder Gustav Simon aus dem Hunsrück. Sie heißen heute Mustafa aus Syrien. Jonathan aus Eritrea. Oder Samira aus dem Irak. Sie stranden nicht an der südamerikanischen Küste. Sie klopfen an die Türen Europas und an die Türen Deutschlands. Auf der Suche nach einer anderen Heimat.

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