SWR2 Wort zum Tag

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Die Hoffnung aufgeben kann jeder. Besser ist es, die Erinnerung wachzuhalten an mutige Menschen, die sich auch durch Widerstände nicht abschrecken ließen. Ich kann mich noch genau an eine solche Frau erinnern: Eine kleine, kompakte Person aus unserer Nachbarschaft, mir kam sie damals ziemlich alt vor. Ich war Konfirmandin. Und sie erzählte mir auf dem Weg zur Kirche, dass sie keine Früchte aus Südafrika kaufen würde und warum. Ich hörte von Apartheid und Nelson Mandela und von der Regierung, die ihn ins Gefängnis gesteckt hatte. Die kleine Frau meinte, dass das viele lächerlich fänden, aber sie wäre überzeugt von der Aktion „Kauft keine Früchte aus Südafrika“. Energisch rückte sie ihr Hütchen zurecht. Als ich nach Hause kam, blieb meinen Eltern nichts anderes übrig, als sich dieser Anti-Apartheid-Aktion anzuschließen. Wir blieben nicht die einzigen. Es wurde eine der erfolgreichsten Bewegungen gegen das südafrikanische Unrechtsregime.
Letztes Jahr war ich zum ersten Mal in Südafrika, mit einer Delegation meiner Landeskirche. Am Sonntag war ich zu einem Gottesdienst in einem township eingeladen. Ganz spontan sollte ich predigen. Ich erzählte den Menschen von dieser kleinen Frau. Und davon, dass man alte Frauen nicht unterschätzen sollte, was mit beifälligem Lachen und Klatschen der anwesenden älteren Damen begleitet wurde. Die Menschen im Gottesdienst hörten interessiert zu, dass es zunächst vorwiegend Frauen waren, die in Deutschland für die Aktion „Kauft keine Früchte aus Südafrika“ geworben hatten, und dass diese Bewegung das mächtige Johannesburger Regime nachhaltig geschädigt hatte. Im Gottesdienst wurde die Erinnerung an diese kleine mutige Frau, die inzwischen längst gestorben ist, wieder lebendig, und wir alle waren dankbar dafür, dass wir, Schwarze und Weiße, heute gemeinsam die köstlichen südafrikanischen Früchte genießen konnten, was wir nach dem Gottesdienst auch getan haben.
Nach meiner kurzen Predigt sind die Menschen aufgestanden und haben ein sehr schönes Lied in ihrer Sprache Xhosa gesungen. Ein Loblied auf Gott, hat mir der Präsident der Kirche übersetzt, und ein Loblied auf die Kleine Frau, und auf alle, die mitgeholfen haben. Noch längst ist nicht alles gut in Südafrika. Aber, so sagte er, man soll nicht vorschnell die Hoffnung aufgeben. Und die Erinnerung wachhalten. An mutige Menschen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19321
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