SWR3 Gedanken

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Wenn ich für ein paar Tage an einem fremden Ort bin, dann besuche ich schon mal den dortigen Friedhof. Manche Friedhöfe sind spartanisch und wirken lieblos, andere wiederum präsentieren sich als wunderschön angelegte Parkanlagen. Ich gehe gern an diese Orte, wenn ich ein bisschen Ruhe suche oder Zeit zum Nachdenken. Und nebenbei sagen sie mir etwas über die Menschen, die in dieser Stadt gelebt haben. Manchmal bleibe ich dann an besonders interessant gestalteten Grabsteinen stehen. Mitunter erzählen sie von dem Menschen, der dort liegt. Wie alt er wurde. Was er beruflich gemacht hat.  Manchmal auch, wie er gestorben ist. Ich versuche, mir ein Bild von diesem Menschen zu machen und zumindest einen Augenblick lang wird er in meinen Gedanken wieder lebendig. Ich bin überzeugt davon, dass wir Orte brauchen, an denen wir uns erinnern können. Darum ist es gut, wenn in immer mehr Städten inzwischen sogenannte Stolpersteine in den Gehwegen auftauchen. Sie erinnern an Menschen, die in dieser Straße gelebt haben und von den Naziverbrechern verschleppt und oft auch ermordet worden sind. Für viele von ihnen existiert nicht mal ein Grabstein. Als Christ glaube ich zwar, dass kein Verstorbener bei Gott vergessen ist. Doch als vergesslicher Mensch brauche ich manchmal Erinnerungsstützen? Der Dichter Bertold Brecht hat einmal geschrieben: Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt. Was diese Welt angeht, hat er wohl Recht. Gut also, wenn es Orte gibt, an denen ich mich erinnern kann.

 

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