Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Anton Schmid : ein normaler Feldwebel aus Wien, aber er wurde von den Überlebenden des Naziterrors im litauischen Wilna wie ein Heiliger verehrt. Am 24. Juni 1941 eroberte die Wehrmacht Wilna, „das Jerusalem des Ostens": von den 200 000 Einwohnern waren 60 000 Juden. Nach 3 Monaten hatten die Nazis schon 12 000 ermordet. Anton Schmid leitet in Wilna die Versprengten-Sammelstelle, wo sich Wehrmachtssoldaten melden müssen, die den Kontakt zu ihrer Einheit verloren haben. In den angegliederten Werkstätten beschäftigt Schmid viele Juden. Er gibt ihnen Uniform und Soldbuch gefallener Soldaten und ermöglicht ihnen so das Überleben. Viele sagten nach dem Krieg, sie hätten nichts gesehen und nichts gewusst. Schmid sah und wusste und handelte. Er stellte die LKW seiner Dienststelle für die Flucht der Juden zur Verfügung und bot dem jüdischen Ghettowiderstand seine eigene Wohnung als Treffpunkt an. Ein Vertrauter beschreibt ihn so: er war nicht religiös, er war kein Philosoph. Er war ein Antinazi, aber nicht aus politischen Erwägungen heraus. Er konnte sich in die Gefühle der verfolgten Juden hineinversetzen und lehnte die Judenvernichtung aus humanen Gründen ab. „Du kennst ja mein weiches Herz" so schrieb er ein paar Tage vor seinem Tod als Erklärung an seine Frau. Im April 1942 wurde Schmid von der Wehrmacht hingerichtet. Sein Vergehen - Juden zu retten - war nicht mal ein militärgerichtlicher Tatbestand; es galt damals für einen deutschen Uniformträger einfach als un-denkbar. Anton Schmid allerdings konnte selber denken und fühlen und urteilen. Ein ganz gewöhnlicher, ein ganz außergewöhnlicher Mann.

Lebenslauf Anton Schmid entnommen aus
Die Zeit, 27.6.2013-Nr. 27 „Tollkühn aus Nächstenliebe" von Christian Staas

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16115
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