Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Spielen wir Verstecken?"
Wenn mein Neffe uns besucht, dauert es nicht lange bis er das fragt: „Spielen wir Verstecken"?
Das ist sein Lieblingsspiel und von der Oma bis zur Cousine bringt er alle aus der Familie dazu, mitzuspielen.
Wer sucht und wer sich versteckt, spielt für ihn dabei keine Rolle. Beides macht er gleich gern. Denn das Schönste für ihn ist eindeutig, wenn der, der sich versteckt hat, gefunden wird. Dann schauen sich beide an, die Spannung löst sich und es wird herzhaft gelacht. Mein Neffe hüpft dann aufgeregt von einem auf das andere Bein, seine Augen strahlen - auch noch nach dem 10. Spiel.
Zum Verstecken spielen braucht es mindestens zwei. Ich kann mich zwar allein verstecken, in einer Ecke verkriechen, hinter einem Schrank abwarten. Aber Finden muss mich ein anderer. So geht das Spiel.

Mich erinnert das an viele Situationen im Leben.
Manchmal verstecke ich mich nämlich auch im Alltag.
Wenn ich mich nicht traue, eine Aufgabe zu übernehmen.
Wenn ich meine, nicht gut genug zu sein.
Wenn ich den Mund halte, obwohl ich anderer Meinung bin. 

Wie gut, wenn dann ein Zweiter mit ins Spiel kommt.
Jemand, der mich sozusagen „sucht". Jemand, der sich Zeit nimmt, mich aus meinem Versteck lockt, mit guten und ermutigenden Worten. Jemand, der sagt: „Du kannst das. Trau dich! Deine Meinung ist wichtig." Jemand, der die versteckten Talente, den versteckten Mut sucht und auch findet.  

„Das Schönste am Versteckspielen ist eigentlich, wenn du mich findest", meint mein Neffe. „Dann ist das Spiel zwar vorbei. Aber wir können ja wieder von vorne anfangen."
Recht hat er, beim Suchen und Finden kann man jederzeit neu anfangen, weil es so viel zu entdecken gibt.

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