SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Winnetou und Old Shatterhand in der Abendsonne: Mit einer Bewegung schieben sie ihre fransenbedeckten Ärmel nach oben und zücken ihre Messer. Dann ritzen sie sich mit den Klingen eine Schnittwunde auf die Innenseite ihrer Unterarme. Dann - im Licht der untergehenden Sonne - überkreuzen sie die Arme und pressen sie an der Wunde aneinander. Musik - die beiden schauen sich in die Augen - sie sind jetzt Blutsbrüder.
Ich war ganz schön enttäuscht als ich erfahren habe, dass Karl May die Blutsbrüderschaft bei den Indianern erfunden hat. Mir hat die Idee immer eingeleuchtet: wenn ich mich mit jemanden ganz eng verbinden will, womöglich über kulturelle Gräben hinweg, dann ist so ein symbolisches Blutaustauschen ein verbindliches Zeichen. Auch dass man sich dazu verletzen muss, passt gut - verwandt sein bedeutet ja immer auch um des Anderen willen Verletzungen aushalten.
Erfunden oder nicht - ich muss immer an Winnetou und seinen Blutsbruder Old Shatterhand denken, wenn ich mir das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern vorstelle. Jesus hat auch so eine Art Blutsbrüderschaft gestiftet an jenem Abend, an dem er mit seinem engsten Freundeskreis gefeiert hat. Am Abend vor seiner Kreuzigung.
Jesus hat sich damals nicht den Arm geritzt. Er hat das Brot allen ausgeteilt mit den Worten „das ist mein Leib". Er hat alle aus demselben Weinbecher trinken lassen mit den Worten „das ist mein Blut". Damit sagt er: alles, was ich ab jetzt tue, alles was mir widerfährt, geschieht aus Liebe zu euch. Nichts kann unsere Verbindung zerrütten, wir bleiben Geschwister.
Wann immer wir heute Abendmahl feiern, erinnern wir damit an Jesus und werden dabei Schwestern und Brüder Jesu. Wer beim Abendmahl mit anderen aus dem Kelch trinkt und von dem Brot isst, bekommt Jesus als Bruder für's ganze Leben. Einen Bruder, der Verletzungen auf sich nimmt und sogar den Tod.
Einen Bruder, der uns alle miteinander verbindet.
Womöglich sogar mit Winnetou und Old Shatterhand.

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