SWR2 Wort zum Tag

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Ohne Titel 2010.JPG

Einen offenen Blick für das Licht bewahren. Zu diesem Gedanken inspiriert mich ein Bild des Malers Andreas Felger. Die Oberfläche des Ölbildes bilden breite, geschwungene blaue Pinselstriche, die wie ein unregelmäßiges Gitter in einander verwoben sind. Durchbrüche geben den Blick frei auf schwarze Strukturen; darunter scheinen grüne Muster auf. Zwischen dem dichten Geflecht über einander liegender Farbschichten scheinen aus dem Bildgrund verstreut gelbe und weiße Akzente herauf - Spuren von Licht, die aus der Tiefe leuchten und die Verdichtungen und Verflechtungen aufbrechen.
Das Bild trägt keinen Titel. Aber gerade dadurch verlangt es mir meine eigene Deutung ab und stellt mir Fragen. Ich lasse mich von Bildern gerne auf einen eigenen Weg der deutenden Auseinandersetzung mitnehmen. Dadurch können Bildern zu Deutungen meiner selbst werden. Sie können sich für mich verändern, je nachdem, in welcher Stimmung ich sie betrachte, welche Erfahrungen und welche inneren Bilder sie in mir wachrufen. Und sie können sogar mich selbst verändern. Ich möchte mit diesem Bild von Andreas Felger daher in den folgenden Tagen einen Betrachtungsweg gehen. Es ist auf den ersten Blick ein eher düsteres Bild. Die Farben Blau und Schwarz stehen im Vordergrund. Oft bestimmt das Dunkle zuerst die Sicht. Aber wenn der Blick tiefer dringt, kann er auch die Farben des Lebens, des Wachsens, der Hoffnung erkennen. Momente des Glücks, der Liebe, der Leidenschaft leuchten auf. Bei genauerem Betrachten von Felgers Bild sehe ich, dass seine eigentliche Anziehungskraft durch das Helle, durch das Licht bewirkt wird. Es scheint auf dem Grund verborgen zu sein und dominiert doch alles. „Aufbrechen" - so deute ich dieses Bild. Durch das undurchdringlich erscheinende,  dunkle Gewirr dessen, was ein Leben oft ausmachen kann, bricht immer wieder Licht durch. Ich muss mich aber auch darauf einlassen, bereit sein, meinen eigenen Blick auf das Licht hin aufbrechen zu lassen. Das bedeutet nicht, das Dunkel zu verleugnen. Es hat auch seinen Anteil, oft drängt es sich in den Vordergrund. Aber es ist nicht alles. Mich öffnen für das Licht, das von innen kommt, aus der Tiefe; das allem zugrunde liegt. Das lasse ich mir von diesem Bild sagen. Und auch offen sein für das Licht, das aus der Zukunft herein scheint: Sinn des Lebens, auf den hin wir aufbrechen - immer neu.

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