SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„So betet man nicht!", Ariane sieht Felix streng an. Er hat gerade im Unterricht vorgemacht, wie bei ihm Zuhause das Tischgebet gesprochen wird und hat dazu die Handflächen aneinander gelegt. „So betet man", sagt Ariana. Sie faltet ihre Hände und rasselt einen Tischsegen herunter.
„Nee", platzt Daniel heraus, „es geht doch um das, was du sagst und nicht darum, wie du die Hände hast."
Jetzt gehen so viele Finger in die Höhe, dass ich alle Mühe habe, die Beiträge zu sortieren.
Schließlich bringt es Jonas auf den Punkt: „Ich glaube, manchmal brauche ich eine feste Form - mit gefalteten Händen oder so - damit ich mich überhaupt auf ein Gebet einlassen kann. Aber manchmal betet es wie von selbst in mir. Und das kann dann auch beim Aufstehen sein, oder auf dem Fahrrad oder sonst wo, dann sind die Hände egal."
Ariane ist verunsichert: „Aber woher weiß Gott dann, dass du betest?
„Vielleicht ist es ja gerade anders herum", überlegt Jonas, „vielleicht beten wir ja eigentlich immer, also sind irgendwie immer im Gespräch mit Gott, aber nur ganz selten ist uns das auch wirklich bewusst."
Ariane ist das unheimlich: „Na, dann will ich aber lieber, dass Gott nur dann zuhört, wenn ich die Hände falte." Die Kinder lachen, es klingelt.
Wenn Jonas Recht hat, überlege ich im Rausgehen, sollte ich in Zukunft besser acht geben auf meine Gedanken. Oder noch besser: Ich sollte Gott bitten, meine Gedanken zu lenken. Und für einen Moment, bevor ich das Klassenzimmer abschließe, lege ich meine Handflächen still aneinander.

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