SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Sie bieten einen traurigen Anblick, die Äpfel. Unbeachtet sind sie in den letzten Wochen vom Apfelbaum auf dem Schulgelände auf den Gehweg gefallen. Dort werden sie in den Rinnstein gekickt, zertreten, oder faulen einfach vor sich hin, bis der Hausmeister mal wieder mit der Kehrmaschine vorbeifährt.
Nicht viel anders erging es im Sommer den Mirabellen neben dem Spielplatz im Park. Und auch von den Haselnüssen an der Bushaltestelle werden nur wenige aufgesammelt. Die meisten landen mit dem Herbstlaub auf dem Kompost.
Schade eigentlich. Denn Lebensmittel wegwerfen, das tun wir in Europa ja schon genug. Etwa ein Drittel aller Nahrungsmittel landen hier im Müll, das hat vor kurzen ein Film gezeigt und damit große öffentliche Aufmerksamkeit erregt.

Dabei gibt es ja nicht wenige Menschen in Deutschland, für die frische, gesunde Lebensmittel eine teure, manchmal zu teure Angelegenheit sind. Das ist absurd, finde ich.
Das ist absurd, hat sich auch eine Gruppe junger Leute in Berlin gedacht. Und überlegt, ob man - wenigsten im Kleinen - etwas daran ändern könnte. Ihren Beitrag dazu kann man im Internet finden. Unter der etwas provozierenden Adresse www.mundraub.org bieten sie eine Plattform, auf der erntefreudige Menschen und herrenlose Obstbäume zusammenfinden können. Wer einen Baum kennt, dessen Obst frei verfügbar ist und ungenutzt verkommt, der kann ihn auf einer interaktiven Karte eintragen. Wer gerne selbstgeerntete Früchte essen möchte, kann nachschauen, was es in der Nähe zu pflücken gibt.
Ich finde das eine prima Idee. Weil es für Menschen mit schmalem Geldbeutel eine Chance ist, günstig an frisches Obst kommen - und Großstadtkinder nebenbei lernen können, wie ein Kirschbaum aussieht. Aber auch, weil es ein Zeichen von Respekt und Dankbarkeit ist. Ein Zeichen von Respekt und Dankbarkeit gegenüber der Natur - und  als Christin sage ich auch: gegenüber ihrem Schöpfer: Dass wir die Gaben, die uns da ganz ohne unser Zutun in den Schoß fallen, nicht einfach ignorieren und wegwerfen, sondern sie würdigen und nutzen. Und sie anderen verfügbar machen, die sie wirklich brauchen.
Echter „Mundraub" ist das ja auch nicht, wenn sicher ist, dass niemand Anspruch auf die Früchte erhebt. In biblischen Zeiten war übrigens selbst das erlaubt: Wer Hunger hatte, durfte sich bedienen, bis er satt war - nur nichts mitnehmen. „ Wenn du in den Weinberg deines Nächsten kommst, so magst du Trauben essen nach Herzenslust, bis du genug hast", heißt es im fünften Buch Mose (5. Mose 23,24). Heute ist es offiziell nicht einmal erlaubt, Lebensmittel aus dem Müllcontainer eines Supermarktes zu nehmen. Ich finde, das gibt zu denken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11766
weiterlesen...