SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Wenn ich schon in die Hölle kommen muss,
soll er gesagt haben, dann lieber weil ich zu nachsichtig gewesen wäre,
als wegen Härte und Grausamkeit.
Abt Odilo von Cluny soll das gesagt haben.
Der hat um das Jahr tausend herum gelebt,
war Mönch geworden im Kloster Cluny in Burgund
und schon bald der Abt, der oberste im Kloster.
Da hatte er erst fünf Jahre dort gelebt. Frischen Wind brauchte der Betrieb.
Jedenfalls: Unter seiner Führung hat die Abtei von Cluny
einen riesigen Aufschwung genommen
und hat auch das innere Leben reformiert.
Zurück zur alten Regel, zum Ora et Labora - also zum Beten und Arbeiten.
Es war neu zu entdecken, dass die Mönche
in dieser Kombination wichtig waren für die Welt um sie herum.
So haben die Klöster wichtige Entwicklungen angeschoben.
Mönche und ihre Leute haben Urwälder gerodet und Äcker gepflügt,
haben Sümpfe trockengelegt und Krankheiten ausgerottet.
Sie haben für Bildung gesorgt - und natürlich auch dafür,
dass der Glaube sich weiter verbreiten konnte.
Odilos Cluny stand schon bald an der Spitze einer Reformbewegung,
der sich noch siebzig andere Klöster angeschlossen hatten.
Allerdings: Schrecklich viel Reichtum haben sie angehäuft damals.
Ein Kloster aus Holz macht Odilo zu einer Abtei aus Marmor -
das haben schon Zeitgenossen bewundert und auch bemeckert.
Die Abteikirche von Cluny war die größte Kirche der Welt,
fünfhundert Jahre lang, bis der Petersdom in Rom neu gebaut wurde.
So ein mächtiger Mönch -
und ziemlich rücksichtslos soll er umgegangen sein
mit sich und mit seiner Gesundheit.
Da finde ich es bemerkenswert, dass er andererseits
wenigstens mit dem Gedanken gespielt hat,
er könnte in der Hölle landen, trotz allem.
Aber dann doch lieber, weil ich vielleicht zu nachsichtig war...

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