Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25APR2024
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Meine Fensterbank gleicht einem pflanzlichen Friedhof. Dabei war ich guter Dinge, dass ich meine Pflanzen diesmal über den Winter bringen würde. Dass ich diesmal regelmäßig gieße, vielleicht ab und zu dünge. Viel gehört eigentlich nicht dazu, und ich scheitere trotzdem dran.

Und wie den Zimmerpflanzen geht es leider auch den zarten Pflänzchen meiner guten Vorsätze. Man sieht es nicht sofort, wenn man mein Wohnzimmer betritt – aber: Da sind noch die dürren Überreste meines Vorsatzes, nicht so schnell über andere zu urteilen. In einer anderen Ecke steht der vertrocknete Philodendron meines Versuchs dankbar zu sein für das, was ich kann – und mich nicht andauernd mit anderen zu vergleichen. Und da noch der eingegangene Monstera-Setzling meines Plans, wieder regelmäßiger Sport zu machen.

Ja es ist schon gut, dass meine Schwächen und ungelösten Probleme, nicht so offensichtlich auf dem Präsentierteller stehen, wie meine gerade verdorrenden Pflanzen. Dadurch kann ich sie aber auch leichter verdrängen – ganz hinten in der Abstellkammer im Kopf, in die man nur selten mal reinschaut.

Bei Gott klappt das allerdings nicht mit dem Verdrängen. Gott sieht genau hin, und in der Bibel heißt es einmal:  Der Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. Er sieht auch die unsichtbaren kaputten Ecken in mir. Ich finde die Vorstellung erstmal unangenehm. Wenn ich ehrlich bin, dann schäme ich mich ein bisschen – auch vor Gott. Ich bin es eben gewohnt, meine Schwächen zu verstecken und zu verdrängen. Ich finde das ganz schön schwer, mir das vorzustellen: Dass es da jemand gibt, der mich nicht nach meinem Scheitern und Versagen beurteilt. Dass Gott angesichts meiner vertrockneten Zimmerpflanzen und meiner gescheiterten Pläne nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, sondern so wie ein richtig gutmütiger Freund ist, der mir hilft meine Pflanzen und mein Leben wieder aufzupäppeln.

Schwer vorstellbar, aber wunderbar und entlastend. Dass ich das, was mit unangenehm ist, mit jemand teilen kann. Denn, um den Mut haben, es trotzdem nochmal zu wagen, muss man den alten Ballast auch mal loswerden. Und das geht besser, wenn da einer dabei ist.

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