SWR3 Gedanken

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13OKT2023
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Jetzt ist Krieg in Israel und ich maile mit Stephan, der seit Jahren schon in Jerusalem lebt. Stephan kennt dieses Land in und auswendig. Er kann mir nicht viel schreiben. Auf meinem Bildschirm lese ich nur die Zeile: „Ganz kurz. Auf die Schnelle. Grade wieder Raketenalarm.“

Israel ist weit weg, aber durch Stephan, der mit mir mailt, rückt mir das unvorstellbare Grauen dort ein Stück näher. Diese erschreckende Spirale von roher Gewalt.

Ich weiß: Kriege, Terror und Angriffe, das alles passiert nicht nur am Gaza-Streifen. Ich sehe es und will es nicht sehen und ich frage mich: warum kommt die Menschheit denn scheinbar niemals weg von Krieg, Hass und Gewalt? Ich kann und will es nie begreifen.

So wandern meine Gedanken und Gefühle weg von Stephan und immer wieder zu ihm hin. Ich entdecke, dass er mit seiner Mail noch einen Text geschickt hat. Im Anhang finde ich ein frommes Gedicht, genauer gesagt ein Gebet, formuliert im alten Stil der Psalmen. Das sind die Herzensgebete der uralten jüdischen Religion, in denen Menschen Gott anflehen und sich alles von der Seele reden.

Stephan hat am Samstag, als der Krieg plötzlich losgebrochen ist, einfach aufgeschrieben, was in ihm war. Sein ganz persönliches Gebet. Es trägt die Überschrift: Gazapsalm. Psalm eines zivilen Kriegsopfers.

Darin beschreibt Stephan, was er in Israel gerade erlebt. Sein kleiner Psalm schließt mit den Worten:

„Siehst du die Tränen, die zitternden Glieder, Ewiger, Unbegreiflicher, bewegt dich das nicht? Missbraucht wirst du schamlos von beiden Parteien, dein Name ist Waffe für schändliches Tun. Fahre dazwischen, lösche die Feuer. Die Besonnenen stärke, die Grausamen schwäche. Und lass mich nicht hassen, trotz meiner Wunden, damit die Hoffnung auf Frieden in mir nie erlischt.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38610
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