SWR3 Gedanken

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18OKT2023
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Stuttgart oder Wolfsburg – diese Frage hätte ich mir wohl stellen sollen, als ich letzte Woche mit meinem Neffen im Stadion war. Volle Ränge. Der zweitplatzierte gegen den siebten. Ich Wahl-Stuttgarter, mein Neffe ein Wolfsburgfan – also gute Gründe für beide Seiten. Ich habe mich dann nicht entschieden, sondern mich einfach an einem guten Fußballspiel und dem Stadionerlebnis gefreut.

Ich wünschte, es wäre immer so einfach. Im Alltag soll ich mich ständig entscheiden: Finde ich SUVs – cool oder geht gar nicht. Zum Beispiel: Vegan sein – ist das jetzt ethisch korrekt oder übertrieben nervig. Jim Knopf – verteidige ich das wichtige Kulturgut oder halte ich es für ein Buch mit problematischen rassistischen Überzeichnungen? Verstehen Sie mich nicht falsch – ich habe zu den meisten Dingen eine Meinung und finde es auch gut, darüber kontrovers mit anderen zu diskutieren. Aber es passiert so leicht, dass wir uns und andere über solche Themen definieren und einander in Schubladen stecken: gut oder schlecht, schwarz oder weiß. Und ich kenne das ja von mir selbst. Dass ich mich dabei erwische, wie ich mein Gegenüber nicht mehr als vielschichtigen Menschen wahrnehme, der eben auch gern SUV fährt. Sondern ihn als SUV-Fahrer abstempele, dem die Umwelt egal ist.

Das scheint etwas sehr Menschliches zu sein. Schon Paulus kennt das Problem und sagt in der Bibel sinngemäß: Egal ob ihr Veganer seid oder SUV-Fahrer, Wolfsburg oder Stuttgart-Fans – ihr seid eins in Jesus. Für mich bedeutet das einen Perspektivwechsel: Ich kann mich mit den Augen Gottes ansehen, als von ihm geschaffen und geliebt. Und sehe deshalb auch die anderen so. Das ist keine Gleichmacherei und soll nicht verwischen, was uns als Einzelne ausmacht. Aber es ist dann ein bisschen so, als ob ich die anderen Fans im Stadion zuerst als Fußballfans sehe, und dann erst als Stuttgarter oder Wolfsburger.

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