Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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13OKT2023
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Seit zwei Tagen bin ich offline. Und das macht mich nervös. Die Leitung ist kaputt. Der Techniker soll morgen kommen. Bis dahin: Kein Telefon, kein Internet. Klar, das Handy funktioniert noch, aber mein Datenvolumen ist verbraucht. Wenn ich ins Internet will, geht das nur sehr langsam. Ich bin also nur eingeschränkt erreichbar. Das ist fürs Arbeiten im Home Office schlecht.

Und auch der Rest der Familie ist genervt. Mal eben googeln, wie lange das Café geöffnet hat? – Geht grad nicht. Der geplante Netflix-Abend? – Fällt ins Wasser. Stattdessen ein Videocall mit der Freundin? – Vergiss es!

Kurz habe ich gedacht, es könnte ja mal ganz schön sein, nicht immer verfügbar zu sein. Entschleunigung und so. Aber mein Alltag ist so sehr davon geprägt, von zu Hause aus mit allen vernetzt zu sein und alle Informationen der Welt in greifbarer Nähe zu haben. Wenn das wegfällt, dann bremst mich das aus. Es macht mich nervös. Und es nervt. Ich fühle mich abgeschnitten von der Welt. Was, wenn jemand mich dringend erreichen will und sich furchtbar ärgert, weil ich nicht gleich antworte? Was, wenn ich mit meiner Arbeit nicht so schnell fertig werde wie sonst? Was, wenn der Haussegen noch länger schief hängt, weil alle ohne W-Lan schlechte Laune haben?

Während ich Kaffee trinke, kann ich nicht wie sonst durch meinen Insta-Account scrollen oder online Zeitung lesen. Also denke ich nach. Über meine Unruhe.

Mir kommt ein Vers aus der Bibel in den Sinn (Ps 42,6 i.A. Luther/BB):
„Was betrübst Du Dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Halte doch Ausschau nach Gott.“
Und plötzlich muss ich schmunzeln. Über mich selber. Dass ich mich so wichtig nehme. Als ob die Welt davon unterginge, dass ich nur zweimal am Tag meine Mails abrufe! Als ob jemand den ganzen Tag vor seinem Handy säße und auf eine Nachricht von mir wartete! Als ob die Kinder sich nicht auch analog beschäftigen könnten!

Ich trinke noch einen Schluck Kaffee. Die Welt geht nicht unter, weil ich offline bin. Ich gehe nicht unter, weil ich offline bin. Im Gegenteil. Es gibt Größeres als mich. Es gibt Größeres als das. Und meiner Seele tut es gut, daran zu denken.

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