SWR3 Gedanken

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14AUG2023
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Von heute auf morgen hat Renate ihre Beine verloren. Es war der Worst-Case überhaupt. Sie hat ein spezielles Medikament nicht vertragen und dann eine Blutvergiftung gekriegt. Die Ärzte hatten keine Wahl: Die Beine mussten amputiert werden, um Renate zu retten. Nach der OP hat sich Renate so gefühlt, als ob sie vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens steht.

Dass Renate sich an zwei Beinprothesen gewöhnen musste, war nicht die größte Schwierigkeit. Am schlimmsten war, dass sie erst einmal alleine dastand. Renate hat bisher niemanden gekannt, dem so was passiert ist. Und es war für sie schmerzhaft, wie viele sich auf einmal nicht mehr gemeldet haben – oder wie die, zu denen sie noch Kontakt hatte, ihrer Leidensgeschichte krampfhaft ausgewichen sind.

Aber irgendwann hat Renate den Spieß rumgedreht - um 180 Grad. Sie wollte nicht mehr die sein, der etwas passiert ist, sie wollte wieder die sein, die etwas tut. Ganz speziell wollte Renate, dass sich andere nicht mehr so fühlen müssen, wie sie sich gefühlt hat. Allein und irgendwie wie ein Fremdkörper.

Also ist Renate losgezogen und hat andere gesucht, die auch durch den Horror einer Amputation mussten. Heute trifft sich Renate zum Beispiel mit Veronika, die einen Arm verloren hat. Sie gehen Kaffeetrinken, reden über ihren Alltag und geben sich gegenseitig das Gefühl dazuzugehören.

Es gibt eine Kraft, die wird freigesetzt, wenn alles brennt. Wenn du durch das Schlimmste musst. Und ich glaube, diese Kraft kommt von Gott. Für alle, die hart kämpfen. Und alle, die einen Menschen mit dieser Kraft treffen, kriegen etwas davon ab. In meinen Augen Hoffnung, Mut und vor allem etwas von diesem Kampfgeist: „Gib nicht auf. Du bist so wertvoll. Und du gehörst dazu!“

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