Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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11AUG2023
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Es war ein lauer Juni-Abend und die Rosen dufteten. Wir saßen zu zweit in einem kleinen Klostergarten und genossen den Naturfilm vor unseren Augen jenseits der Klostermauern: die Aussicht auf das vor uns liegende Flusstal und die Weinberge an den Hängen. Erst als es zu kühl zum Verweilen wurde, brachen wir auf.

Unbemerkt aber waren zwischenzeitlich alle Türen und Tore zugemacht worden – und wir im Rosengarten eingeschlossen. - Langes, banges Warten, vergebliche Rufe und Anrufe. Kurzum: Wir saßen fest.

Später, sehr viel später, haben uns drei 'Engel' herausgeholfen. Zunächst in Gestalt einer außen vorbeigehenden Spaziergängerin. Sie informierte eine von externem Einsatz zurückkehrende Klosterschwester. Diese weckte telefonisch die Kastellanin. Und deren Schlüssel öffneten schließlich die Tore. Wir waren frei. - Wir fühlten uns erlöst.

So ist das, denke ich, auch im Leben: Befreiung, Erlösung muss von außen kommen. Erlösung kann man nicht selbst machen; sie ist kein Ikea-Bausatz.

Es gibt bekanntlich vielerlei Arten des Gefangenseins. Martin Luther spricht vom Gefangensein in sich selbst, „vom tief auf sich selbst hin verkrümmten Menschen." [1])

Heraus aus solcher Enge und Bangigkeit im Herzen aber darf ich wissen, „dass mein Erlöser lebt". Im biblischen Hiob-Buch (19,25) findet sich dieses Zitat und wird seit 300 Jahren über Generationen hinweg als tröstliches Lied gesungen und gebetet:

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

Das soll mir niemand nehmen" [2])

Wie der große Kirchenlieddichter Paul Gerhardt hat auch Georg Friedrich Händel in seinem Oratorium „Der Messias" diesem Satz eine berühmte Arie gewidmet. [3])

Die Gewissheit, „dass mein Erlöser lebt", ist auch mir ein Türöffner, der mir immer wieder den Weg in die Freiheit ermöglicht. Ebenso wie das, was ich im Umfeld meines Glaubens erleben und erfahren darf. Denn – so schreibt der Apostel Paulus im 2. Korintherbrief (3,17) – „wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit".

Da öffnen sich Türen. Da ist Erlösung.

 

[1]    Martin Luther: Scholion zu Röm 5,4; Luther, Werkausgabe 56, 304, 25-29

[2]    Liedtext: Paul Gerhardt (1667), Melodie: Melchior Vulpius (1609)

4    Messiah (HWV 56, dt. Der Messias), Oratorium von Georg Friedrich Händel. 1741 komponiert, 1742 in Dublin uraufgeführt. Text der Arie zu Beginn des 3. Teils.

[3]

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38175
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