Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09AUG2023
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Heute vor 81 Jahren wurde in Auschwitz die Ordensfrau Edith Stein zusammen mit ihrer Schwester Rosa in die Gaskammer getrieben. Sie teilte das bittere Los von über 6 Millionen jüdischen Frauen, Männern und Kindern, die in der „Shoa“, der systematisch betriebenen Vernichtung der Juden, von den Nazis ermordet worden sind. 1891 als Kind einer jüdischen Familie in Breslau geboren, konvertierte Edith Stein im Jugendalter zum Christentum und wurde später als Schwester Benedicta vom Kreuz Karmelitin in Köln.

Mir gibt ein Wort dieser großen jüdisch-christlichen Heiligen zu denken: „Ihr sollt sein wie ein Fenster, durch das Gottes Güte in die Welt hineinleuchten kann.“ Edith Stein war ein solches Fenster, transparent, durchscheinend für Gott. Nach ihrem Studium der Psychologie fand sie ihre eigentliche Berufung in der Philosophie. Doch sie hatte es schwer, sich in dieser damaligen Männerdomäne zu behaupten. So wurde sie zu einer der frühen Vorkämpferinnen für die Gleichstellung und die Anerkennung der Frau.

Ein zweiter göttlicher Lichtschein fällt durch dieses Fenster: Leben, Leiden und Sterben der Edith Stein sind ein flammender Aufschrei gegen Judenfeindlichkeit und Fremdenhass. Tragisch im Leben dieser Ordensfrau, dass sie den Papst vergeblich angefleht hatte, gegen die Judenverfolgung Stellung zu beziehen.

Auch heute trifft man wieder offen oder verdeckt auf antisemitische Äußerungen – oft als harmlos klingende, aber schamlose Witze verkleidet – bis hin zu wüsten Exzessen im Netz. Nationalisten, Rassisten und Rechtsradikale auf Stimmenfang schüren das Feuer und wecken dumpfe Emotionen. Sogar in den christlichen Kirchen haben noch lange nicht alle kapiert, dass Jesus Jude war und unser Glaube jüdischen Ursprungs ist. Antisemitismus trifft unsere älteren Geschwister!

In Köln erinnert ein in das Straßenpflaster eingelassener „Stolperstein“ vor dem ehemaligen Karmel an Edith Stein, die große Heilige unserer Zeit. Ich wünschte mir, dass wir zu lebendigen „Stolpersteinen“ werden für jene Zeitgenossen, die heute wieder Rassismus und Fremdenfeindlichkeit schüren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38173
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