Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07AUG2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Gefragt, wie denn der Himmel schmeckt, antwortet Jesus im Matthäusevangelium (20,1-16): „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Weinbergbesitzer“ – und kommt dann mit dieser ärgerlichen Geschichte daher, in der am Abend alle Tagelöhner denselben Lohn erhalten: Die Loser, die grad mal noch zwei Stunden hingelangt haben ebenso wie die Full-Timer, die den lieben langen Tag in der Hitze des Weinbergs schwitzen und malochen mussten. Nicht so recht tariffähig, dieses Modell! Betriebsräte haben mich fast immer gesteinigt, wenn ich mit dieser Story um die Ecke kam. Aber man trifft in dieser Erzählung auf einen harten Kern: Jeder Lohn, unabhängig von Leistung, muss zum Leben reichen.

Da sind wir noch weit entfernt vom Himmelreich. Der gesetzliche Mindestlohn wird im kommenden Jahr um ganze 41 Cent auf 12, 41 Euro angehoben. Dieses Almosen reicht nicht mal für eine zusätzliche Butterbrezel! „Ich fühle mich eigentlich beleidigt“, sagt mir einer, der hart im Transport-Gewerbe schuftet. Er ist einer von sechs Millionen Frauen und Männern, die im gesetzlichen Mindestlohn zappeln. Neben der Einkommensarmut heute ist für diese Menschen bereits die Altersarmut von morgen vorprogrammiert.

So geht es, wenn die Lohnfindung an eine staatliche Kommission outgesourct wird. Löhne und Arbeitsbedingungen, so will es das Grundgesetz, müssen von den Akteuren selbst ausgestaltet werden. Würden sich Werktätige und Arbeitgeber in Ihren Verbänden organisieren, könnten sie ordentliche Tarifverträge aushandeln, dann wär der Spuk mit dem gesetzlichen Mindestlohn bald zu Ende.

Ich bin Jesus für sein schräges Gleichnis von den „Arbeitern im Weinberg“ dankbar. Diese Geschichte provoziert bewusst und regt dazu an, gerade niedrige, schlecht angesehene und miserabel entlohnte Arbeit neu und anders zu bewerten.

Echt stark: Ein ausreichender Mindestlohn wird zum Kennzeichen für das „Reich Gottes“, das Jesus lebt und verkündet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38171
weiterlesen...