Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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04JUL2023
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Tanzen finde ich großartig. Neulich hatte ich mal wieder einen Abend lang die Gelegenheit dazu. Die Musik, der Rhythmus, die vorbeiwirbelnden Körper und die lachenden Gesichter – das holt mich ganz ins Hier und Jetzt. Ich mag es, mit anderen zusammen zu tanzen oder auch ganz frei – und dabei meinen Körper zu spüren. Schade, habe ich mir wieder gedacht, dass ich das nicht öfter mache.

Tanzen ist uns Menschen offenbar in die Wiege gelegt: Überall auf der Welt und in allen Kulturen wird getanzt. Und das Tanzen gehört fast immer auch ganz selbstverständlich zur Religion dazu. Auch in der Bibel ist das zu lesen. Schon damals haben die Menschen Gott nicht nur mit Worten gelobt. Singt dem Herrn ein neues Lied, heißt es da in einem Psalmgebet, tanzt im Kreis, lobt fröhlich seinen Namen (Psalm 149,3). Ja, Beten ist nicht nur etwas für den Kopf, sondern Singen, Sprechen und Tanzen in einem! Aus dem gesprochenen Lobgebet wird ein Freudenausbruch, der den ganzen Körper erfasst – ein Fest, das das Leben feiert. Die Idee gefällt mir.

Tanzen gehört also zum Leben – und zum Glauben. Die Sozialarbeiterin und engagierte Christin Madeleine Delbrêl hatte sogar den Gedanken, dass das ganze Leben im Vertrauen auf Gott einem Tanz gleichen sollte. Sie hat darüber ein Gebet geschrieben.

Wenn wir wirklich Freude an dir hätten, o Herr, heißt es da

könnten wir dem Bedürfnis zu tanzen nicht widerstehen.

Um gut tanzen zu können, braucht man nicht zu wissen, wohin der Tanz führt.

Man muss ihm nur folgen, darauf gestimmt sein, schwerelos sein.

Sich selbst und die eigenen Pläne mal zurücknehmen, Vertrauen haben und sehen, wohin man geführt wird: Mit einer so tänzerischen Haltung ans Leben heranzugehen, ist nicht immer leicht. Das wusste Madeleine Delbrêl auch. Deshalb hat sie ihr Gebet auch als Bitte formuliert.

Gib, so bittet sie Gott, dass wir unser Dasein leben

nicht wie ein Schachspiel, bei dem alles berechnet ist,

nicht wie einen Lehrsatz, bei dem wir uns den Kopf zerbrechen,

sondern wie ein Fest ohne Ende, bei dem man dir immer wieder begegnet… 

Das ist eine große Bitte. Ich fange mal damit an, wieder öfter zu tanzen. Vielleicht auch einfach durch die Küche. Denn wie sogar der strenge Theologe Augustinus schon in der Antike gesagt hat:

Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmeln nicht mit dir anzufangen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37959
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