Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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03JUL2023
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Macht reich sein glücklich? Studien haben herausgefunden: Ja – aber nur bis zu einem gewissen Maß. Auch reiche Leute haben ihre Probleme und machen sich selbst das Leben schwer. Immer mehr Besitz bedeutet nicht immer noch mehr Glück.

Bei Jesus in der Bibel klingt es sogar so, als sei das Gegenteil der Fall. Vielleicht kennen Sie seinen berühmten Ausspruch: Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt (Lukas 18,25). Das hat Jesus einem wohlsituierten Mann geantwortet. Der Mann, einer der tonangebenden Leute in der Jerusalemer Stadtgesellschaft, hat ihn gefragt hat, wie er das „ewige Leben“ bekommen kann. Dabei ging es sicher nicht nur um das, was nach dem Tod kommt. Bei Jesus war nämlich klar: Das Leben mit Gott fängt schon hier und jetzt an. Die Frage, die der reiche Mann gestellt hat, war also auch: Wie kann ich heute ein gutes, sinnvolles und erfülltes Leben führen?

Jesus antwortet mit diesem verrückten Bild: Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt. Ich fand das immer ziemlich niederschmetternd. Ein Kamel durch ein Nadelöhr – niemals.

Aber neulich hat mir jemand erklärt, dass man das Bild vom Kamel auch anders verstehen kann. Das Nadelöhr, so hat er es mir erklärt, war zur Zeit Jesu auch der Name für eines der Stadttore in Jerusalem. Es war ziemlich eng. Und wenn eine Karawane zum Tor kam und in die Stadt wollte, dann haben die mit Waren vollgepackten Kamele nicht hindurchgepasst. Die Händler mussten die Tiere dann erst einmal entladen, ihren ihre Lasten abnehmen. Erst dann kamen die Kamele durch das Nadelöhr-Tor hindurch.

Seit ich das gehört habe, verstehe ich den Satz von Jesus neu: Reichtum, sagt er, Reichtum ist wie ein Ballast. Wer viel besitzt, viele Dinge oder viel Geld, schleppt all das mit sich herum wie in Lastkamel.

Dem Mann in der Geschichte gibt Jesus deshalb einen radikalen Ratschlag: Verkaufe alles, was du hast, und verteile das Geld an die Armen. Dazu ist der Mann nicht in der Lage. Und vermutlich auch kaum jemand von uns.

Aber wenn ich an das bepackte Kamel denke, das nicht durchs Stadttor passt, denke ich doch: Es ist gut, nicht zu viel Ballast anzuhäufen. Nichts zu kaufen, was ich nicht wirklich brauche. Mich von Dingen zu trennen, die ich nicht mehr brauche. Von meinem Geld immer wieder etwas zu spenden. Und manche Dinge mit anderen zu teilen, statt sie selbst zu besitzen. Vor allem aber: Mein Leben nicht darum kreisen zu lassen, was ich habe und was nicht. Ich glaube: Dann komme ich wirklich besser hinein in ein sinnvolles, ein wahres Leben.

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