SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

02JUL2023
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Man weiß nicht genau, was die beiden Komponisten mit ihrem Lied eigentlich wollten. Ist es eine versteckte Kritik am Nazi-Regime? Oder ein Reiselied für Jugendliche? Daraus geworden ist jedenfalls einer der meistgesungenen „Beerdigungsschlager“ und unser heutiges Lied zum Sonntag: Wir sind nur Gast auf Erden. 

Musik 1

Wir sind nur Gast auf Erden

und wandern ohne Ruh,

mit mancherlei Beschwerden

der ewigen Heimat zu.

 

Die Wege sind verlassen

und oft sind wir allein.

In diesen grauen Gassen

will niemand bei uns sein.

 

Georg Thurmair und Adolf Lohmann sind gerade mal Ende zwanzig als sie dieses Lied 1935 unter der Überschrift „Reiselied“ veröffentlichen. Die beiden sind in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Georg veröffentlicht eine eigene Zeitschrift; und Adolf leitet Jugendchöre. Ich vermute schon, dass die beiden in diesem Lied auch ihre Kritik am gerade aufkommenden Nazi-Regime anklingen lassen. Da sind Formulierungen wie „mancherlei Beschwerden“ oder auch „verlassene Wege und graue Gassen.“ Der Musiklehrer Adolf Lohmann wird kurz nach der Veröffentlichung dieses Liedes strafversetzt und Georg Thurmairs Zeitschrift wird verboten.

         Musik 1

Dieses Lied wird oft bei Trauerfeiern gesungen. Das passt, denn im Text wird das Leben als Reise mit einem großen Ziel beschrieben. Dieses Bild von der Lebensreise hilft ja vielen. Sie fragen dann: Wo geht meine Reise hin, warum lege ich sie zurück? Manche glauben da an ein besonderes Ziel, ein guter Ort, an dem alles heil wird, und wo ich aufgehoben bin.

Das Paradies, der Himmel oder die Heimat – für viele ein Sehnsuchtsort bei Gott. Und ganz besonders glücklich dürfen sich die schätzen, die ihre große Heimat schon vorher auf der Erde finden.

Gar manche Wege führen

aus dieser Welt hinaus.

O dass wir nicht verlieren

den Weg zum Vaterhaus.

 

         Und sind wir einmal müde,

dann stell ein Licht uns aus,

O Gott, in deiner Güte,

dann finden wir nach Haus.

 

Als vor zwei Wochen mein Vater gestorben ist, hatten wir tagelang eine Kerze an seinem Bett stehen. Sie war unsere Orientierung, die immer angezeigt hat: jetzt ist eine besondere Zeit, jetzt passt gut aufeinander auf, denn gerade passiert etwas Wichtiges.

Mein Vater war am Ende tatsächlich „müde“, so wie es auch im Lied heißt und zum Glück waren da auch Menschen, die „ein Licht ausgestellt haben“ für meinen Vater, aber auch für uns Angehörige. Da war der gute alte Freund meines Vaters, der mit dem Rollator gekommen ist und meinem Vater die Hand gehalten hat. Da war meine Freundin, die frische Himbeeren aus dem Garten gebracht hat, einfach so.

Jede Umarmung hat mir gut getan und war wie ein Licht für mich. Und jetzt vertraue ich in Ruhe darauf, dass mein Vater endlich zurückgefunden hat, „nach Haus“.  

 

Komponist: Text: Georg Thurmair, Melodie: Adolf Lohmann

Musikquellen:

Musik 1:       Privataufnahme Melvin Busch in der Kirche St. Johannes Baptista Forchheim am 27.6.2023

Musik 2:       Claus Boesser Ferrari Feat. Fred Frith u. Marc Ribot (How we became Americans) M0251729

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37956
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