SWR2 Wort zum Tag

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30JUN2023
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Ist es unvernünftig, an Gott zu glauben? Diskussionen über diese Frage erlebe ich immer wieder. Am Rande einer Party. Unterwegs im Zugabteil. In der Kneipe. Plötzlich geht es um Gott.

Der Glaube an Gott ist doch überholt, höre ich mein Gegenüber sagen. Geradezu hinterwäldlerisch in einer Welt von Smartphons, künstlicher Intelligenz und moderner Technologie.

Ich mische mich dann ein. Nicht deshalb, weil ich Pfarrer bin. Sondern weil ich überzeugt bin, dass ein aufgeklärter Glaube kein subjektives, irrationales Gefühl ist. Sondern eine vernünftige und lebensdienliche Sache.

Aus dreierlei Gründen meine ich das: Erstens, mein Glaube verhilft mir zu einer wichtigen Unterscheidung. Nämlich: ich bin nicht Gott. Es gibt etwas Größeres. Eine Wirklichkeit, die mich umfasst und trägt.

Und die mir die Freiheit gibt, mir nicht alle Lasten des Lebens und der Welt auf meine Schultern packen zu müssen. Sondern zu tun, was in meinen Kräften steht. Und den Rest Gott zu überlassen.  

Zweitens macht mir mein Glaube die Bedeutung der Unterschiede zwischen uns Menschen klar. Ich bin nicht Du. Es gibt neben mir andere, die mir in manchem ähnlich, in den meisten Dingen aber völlig anders sind als ich.

Der Blick dafür schenkt mir Sensibilität für den Umgang mit den Unterschieden. So dass ich das richtige Gespür finde für das Zusammenspiel mit den nahen und fernen Anderen.

Und drittens: Ich bin endlich. „Der Mensch ist in seinem Leben wie Gras“, sagt die Bibel. Weil das so ist, will ich die mir geschenkte Zeit bewusst wahrnehmen und leben. Das macht mir die Gegenwart kostbar, ohne dass sie für mich zur letzten Gelegenheit wird.

Ich glaube, alle drei Gründe sind gute und wichtige Korrektive in Zeiten, wo man jeden Tag mit neuen Ansprüchen und Anforderungen überhäuft wird.

Wo viele sich darum zurückziehen auf eine Haltung, die an sich selbst genug findet. Oder die Meinung, dass man ja „sowieso nichts machen kann.“

Ich bin mir sicher, ein vernünftiger Glaube verhindert menschlichen Größenwahn und verhilft zu einer realistischen Selbsteinschätzung. Er zeigt mir auf, wie wichtig Gemeinschaft ist. Und lässt mich hoffen. Weit über das hinaus, was ich gegenwärtig sehe und erlebe. 

Ob ich mich damit auch meinem Gegenüber verständlich machen konnte?

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