SWR2 Wort zum Tag

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29JUN2023
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Eine Fernsehserie, die ich mir in den letzten Wochen fasziniert angeschaut habe, erzählt von der „Macht der Kränkung“. Sie beruht auf authentischen Fällen aus der Praxis eines Psychiaters, kleinen und großen Kränkungen, die zu einer Spielfilmhandlung verwoben wurden.

Die Serie handelt von Menschen, die gedemütigt und vor anderen herabgesetzt worden sind. Und davon wie sich solche fortgesetzten Kränkungen in Gewalt entladen können. Gegen Andere oder auch gegen sich selbst.

Auch im Leben Jesu haben Kränkungen eine Rolle gespielt. Schon wegen seiner Herkunft aus dem kleinen Nest Nazareth und aus einer einfachen Familie. „Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen?“, haben die Leute gesagt. Mit der Herkunft aus so einem Kaff war man ja abgestempelt!

Nicht viel anders klingt das heute. Mit dem Hintergrund, den du hast, wird das nichts! Oder: Wie du gebaut bist, schaffst du das nie! Oft kommen Kränkungen sogar ganz ohne Worte aus. Dann wird jemand einfach nur übersehen oder übergangen.  

Am Leben Jesu aber lässt sich ablesen, dass Gott nicht will, dass Menschen klein gemacht oder erniedrigt werden.

Ganz im Gegenteil! Gott spricht dem Menschen hohe Wertschätzung zu. Wenig geringer als Gott ist der Mensch geschaffen, heißt es in einem Psalm. Geschmückt mit einer Krone. Beschenkt mit Herrlichkeit und Würde.

Mit genau diesem Verständnis geht Jesus zu den Gekränkten und Kranken. Kehrt bei ihnen zu Hause ein. Setzt sich mit ihnen an einen Tisch.

Er lebt aus Gottes Vertrauen und Zuneigung zu ihm. Die lässt ihn nicht verbittern – auch nicht angesichts der Missachtung und Kränkungen, die er selbst im Leben erfahren hat.

Ja, denke ich, offenbar ist es so, dass Kränkungen im Leben einen festen Platz haben. Nicht nur die, die ich selber erleide. Sondern auch die, die ich – bewusst oder unbewusst –  verursache.

Und doch - an Jesus sehe und lerne ich, dass es nicht zwangsläufig so laufen muss. Er hat sich auf das Vertrauen verlassen, das Gott in ihn gesetzt hat. Und konnte davon an andere weitergeben.

Er hat den Menschen gesehen hinter der Rolle, die er spielt. Er hat nicht seine Schwächen attackiert, sondern auf die Fähigkeit gesetzt, das ein Mensch sich ändern kann.

Und hat so dem kranken und gekränkten Ich ein neues und stärkeres Selbstvertrauen mit auf den Weg gegeben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37930
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