Nein – ich beneide sie nicht, die Beraterinnen und Berater in Ämtern und Behörden. Auch heute werden sich wieder Menschen vor ihren Büros drängeln. Langzeitarbeitslose beantragen Bürgergeld und suchen einen Job, eine Alleinerziehende kommt finanziell nicht mehr über die Runden. In der Ausländerbehörde werden radebrechend Flüchtlinge registriert und verteilt, nebenan im Bauamt wird lautstark ein Baugesuch abgelehnt. Im Jugendamt rücken zwei Mitarbeiterinnen aus, um ein verwahrlostes Kind in Obhut zu nehmen.

Als Seelsorger weiß ich schon, wovon ich rede. Auch da geben sich ratlose, Rat suchende Menschen die Klinke in die Hand. Aber ich bin vergleichsweise komfortabel dran. Ich kann zuhören, mich an die Seite der Trostlosen und Leidenden setzen, nicht ihnen gegenüber. Kann, so gut es geht, Mut zusprechen, aufrichten, trösten. Die in den Ämtern aber müssen knallhart im Rahmen der Gesetze und enger Ermessensspielräume entscheiden – oft mit einem verdammt unguten Gefühl. Nicht selten fließen dann auf der anderen Seite Tränen, man hört Gezeter und Geschrei. Manchmal kommt sogar noch Gewalt mit ins Spiel, es hagelt Flüche und Beleidigungen. Doch die Zeit ist um: „Der Nächste bitte!“

Wer da noch nicht ganz abgestumpft oder selbst zum wiehernden Amtsschimmel geworden ist, wer da noch ein menschlich-einfühlsames Herz im Leibe trägt, schminkt sich diese Schicksale nicht einfach ab. Er kann und muss zwar die Akte schließen, die Datei abspeichern, den „Fall“ ausreichend dokumentieren, aber er nimmt die Gesichter und ihre Schicksale unweigerlich mit nach Hause.

Ich möchte denen hinterm Schreibtisch, aber auch den Bitt- und Antragstellern gegenüber heute Morgen zurufen: Du, dir gegenüber sitzt ein Mensch. Vergiss das nie! Dementsprechend geh´ auch mit ihm um: menschlich, korrekt und mit dem nötigen Respekt! Ganz nach der Devise des heiter-nachdenklichen Lyrikers Eugen Roth: „Ein Mensch fühlt oft sich wie verwandelt, sobald man menschlich ihn behandelt.“